Shiffrins stille Silber-Freude : „Sie haben keine Ahnung, wie es in mir aussieht“
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Licht und Schatten: Mikaela Shiffrin diesmal wieder auf der Sonnenseite Bild: AP
Nach der Enttäuschung in der Kombination stürzt WM-Silber im Super-G Skistar Mikaela Shiffrin ins Gefühlschaos. Im Ziel ärgert sie sich über eine deutsche Reporterin.
Als Mikaela Shiffrin am Ende des Super-G von Meribel abschwang, war keine Erleichterung in ihrem Gesicht abzulesen und auch nicht die ganz große Freude. Sie lag auf dem zweiten Platz hinter der Italienerin Marta Bassino, aber es standen noch ein paar Favoritinnen oben. „Es hätte leicht sein können, dass ich noch zurückfalle“, sagte sie später. Tatsächlich gab es für die Amerikanerin in diesem Moment keinen Anlass, jubelnd den Zielraum zu verlassen.
Der erste Eindruck ist oft ein flüchtiger, der trotzdem haften bleibt. Denn als dann doch niemand mehr schneller fuhr und ihr damit die erste Medaille bei dieser WM, die erste bei einem Großereignis seit zwei Jahren, nicht mehr zu nehmen war, hatte sie das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen für ihre Reaktion. „Es scheint eine Medaille zu werden, doch sie wirken gar nicht so glücklich“, sagte ZDF-Moderatorin Lena Kesting zu Shiffrin, die das überhaupt nicht lustig fand. Sie frage sich, warum sie überhaupt noch Interviews geben solle, sagte sie und stellte klar: „Sie haben keine Ahnung, wie es in mir aussieht. Ich bin Zweite und sehr glücklich.“ Beim ORF stand sie dann mit Tränen in den Augen vor der Kamera. Später, bei der Pressekonferenz, bekannte sie, dass es ein Missverständnis gewesen sei. Die Frage der Reporterin habe in ihren Ohren etwas vorwurfsvoll geklungen und deshalb seien „ihre Emotionen in die falsche Richtung“ losgegangen.
Um das Gefühlschaos zu verstehen, muss man sich nur an die Olympischen Winterspiele vor einem Jahr zurückerinnern, als Shiffrin einen Tiefschlag nach dem anderen erlebte, aber jeden einzelnen mit Würde und großem Sportsgeist ertrug. Je näher nun die WM in Courchevel/Meribel rückte, desto öfter war sie auf die Tage von Peking angesprochen worden, darauf, ob sie Angst davor hätte, noch einmal leer auszugehen. Sie habe immer wieder geantwortet, dass sie die Olympische Spiele überlebt hätte, „und es mich auch nicht umbringen würde, wenn ich bei dieser WM keine Medaille gewinne“. Aber alleine, sich immer wieder damit beschäftigen zu müssen, kostete Shiffrin viel Kraft. Da sei es schwer gewesen, gibt sie zu, positiv zu bleiben. Als sie in der Kombination dann ausschied, „dachte ich, jetzt willst du mich auf den Arm nehmen“.
Dem Einfädler im Kombinations-Slalom zwei Tage zuvor hatte sie trotzdem keine allzu große Bedeutung beigemessen. Schon eher ihrer Leistung im ersten Teil, dem Super-G. Die sei nicht gut genug gewesen, und mit Blick auf das Rennen am Mittwoch musste sie „Mentalität, die Visualisierung, Analyse, einfach alles komplett verändern, um wieder das richtige Level zu erreichen“.
Es sind die großen Sportler, denen so etwas gelingt. „Es ist großartig, dass ich so skigefahren bin, wie ich es mir vorgenommen habe“, sagte Shiffrin. Der Druck sei mit dieser Medaille zwar nicht ganz weg, weiß sie, weil sie ja auch bei restlichen WM-Starts, voraussichtlich nur noch im Riesenslalom und Slalom, zu den Favoritinnen gehört, „aber es ist schon eine gewisse Erleichterung da“.
Shiffrin schaffte es als einzige der großen Favoritinnen auf das Siegerpodest. Lara Gut-Behrami, die Titelverteidigerin aus der Schweiz landete auf dem sechsten Platz, Federica Brignone, die in der Kombination den Super-G so fantastisch gefahren, und im Weltcup immerhin schon siebenmal Erste in dieser Disziplin gewesen war, wurde Achte. Ragnhild Mowinckel, die Siegerin im letzten Super-G vor der WM in Cortina d’Ampezzo, verpasste als Fünfte eine Medaille um drei Hundertstelsekunden. Sie alle verloren im Mittelteil auf Bassino, die dort die schnellste Linie in den Kurven fand.
Kira Weidle, Deutschlands Beste in den Speed-Disziplinen, war nirgendwo schnell, aber das lag zum großen Teil an einem kleinen Stein, der ihr schon kurz nach dem Start die Kante ruiniert hatte. „Da ist mir das hintere Ende des Skis weggegangen“, sagte die 26 Jahre alte Starnbergerin, die abgeschlagen auf Platz 23 landete. Emma Aicher wurde 18. bei ihrem zweiten WM-Einsatz in Meribel.
Nach zwei Favoritensiegen in den ersten beiden WM-Wettbewerben passierte im Super-G das, was bei Großereignissen immer wieder vorkommt. Marta Bassino ist zwar gewiss keine Zufalls-Weltmeisterin, aber ihr Erfolg auf jeden Fall eine Überraschung. In Weltcup war die Italienerin, die vor zwei Jahren den Riesenslalom-Weltcup gewonnen hatte, zwar schon viermal unter den besten Drei im Super-G plaziert, zweimal davon in dieser Saison, was sie zunächst einmal zu einer Medaillenkandidatin machte. Aber ganz oben auf dem Podest stand sie in dieser Disziplin noch nie. Für die Premiere hätte sie sich kaum eine bessere Gelegenheit aussuchen können.