Leichtathletik-Skandal : Komplettversagen der IAAF
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Die Schatten in der Leichtathletik werden immer größer und länger. Bild: Picture-Alliance
89 Seiten umfasst der zweite Report zum Skandal im Weltverband der Leichtathleten. Die Inhalte sorgen für einen weiteren Imageschaden für die IAAF – denn nun sind es mehr als „eine kleine Anzahl von Schurken“. Der DLV beantragt einen außerordentlichen Kongress.
Der Imageschaden für den Leichtathletik-Weltverband IAAF wird immer größer. Die unabhängige Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat dem Leichtathletik-Weltverband IAAF ein komplettes Versagen im Kampfgegen Doping und Korruption vorgeworfen. Hauptverantwortlicher für die „Organisation und Ermöglichung der Verschwörung“ sei der frühere IAAF-Präsident Lamine Diack, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten neuen Bericht der unabhängigen Wada-Kommission hervorgeht.„Die Korruption war in der Organisation verankert“, hatte AP bereits vorab aus dem zweiten Wada-Report zum Doping- und Korruptionsskandal in der Welt-Leichtathletik zitiert, der im Münchner Vorort Unterschleißheim präsentiert wurde.
Dafür könne nicht „eine kleine Anzahl von Schurken“ verantwortlich gemacht werden. „Es kann nicht als Handlung eines merkwürdigen Abtrünnigen, der auf eigene Faust gehandelt habe, ignoriert oder abgetan werden“, heißt es in dem 89 Seiten langen Wada-Report. Zudem gibt es Hinweise, die IAAF hätte bereits seit 2009 von dem systematischen Doping in Russland gewusst, und Anschuldigungen, eine große Zahl von auffälligen Blutproben verheimlicht und nicht sanktioniert zu haben.
DLV will Kongress
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird im Zuge des Doping- und Korruptionsskandals einen außerordentlichen Kongress des Weltverbandes IAAF beantragen. „Der DLV wird die Einberufung eines Kongresses fordern“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. „Die Vorwürfe gegen die IAAF sind so schwerwiegend, dass sie auf einer Versammlung aller Mitglieder beraten werden muss.“ Der Antrag solle am Freitag auf den Weg gebracht werden.
Die IAAF wies bereits am Montag in einem Bericht an die Wada die Anschuldigung der Vertuschung von Doping zurück und betonte, dass es kein „System der Korruption“ im Weltverband gebe und die Vorwürfe nur „einzelne, früher mit der IAAF assoziierte Personen“ betreffe. Die Wada-Kommission kam nach ihren Ermittlungen zu einer anderen Schlussfolgerung. Es habe keine Möglichkeit für die IAAF-Councilmitglieder gegeben das Ausmaß des Dopings und die Nichtbeachtung von Regeln nicht wahrzunehmen, heißt es in dem AP-Bericht.
Sowohl der heutige Präsident Sebastian Coe (seit August 2015) als auch der deutsche Funktionär Helmut Digel und IOC-Mitglied Sergej Bubka waren viele Jahre in der Diack-Ära Vizepräsidenten. Der Brite Coe beteuerte am Donnerstag im amerikanischen TV-Sender CNN abermals, dass die IAAF nichts vertuscht hätte. Er selbst habe wegen seines Jobs als Organisationschef der London-Spiele nicht alles wissen können, was in der IAAF gelaufen ist.
Der Weltverband IAAF ist in Misskredit geraten, weil der frühere Präsident Lamine Diack von der französischen Justiz wegen der Vertuschung von Doping-Fällen gegen Bezahlung angeklagt wurde. Damit soll ermöglicht worden sein, dass russische Athleten trotz positiver Doping-Tests bei den Olympischen Spielen 2012 in London und bei den Weltmeisterschaften 2013 in Moskau an den Start gehen konnten.
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Mehr erfahrenLaut der AP-Informationen soll die Olympia-Teilnahme von Leichtathleten aus Russland, deren für den Athletenpass gesammelten Bluttests auf Doping schließen ließen, durch einen suspekten Deal geebnet worden sein. Bei einem Treffen in Moskau vor den London-Spielen, an dem laut Wada-Report Diacks Sohn Papa Massata und der frühere IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschjow teilgenommen haben, wurde nicht nur der Preis für die TV-Rechte an der WM 2013 in Moskau von 6 Millionen Dollar ausgehandelt. Der Diack-Filius kehrte auch mit einem mit 25 Millionen Dollar dotierten Sponsorenvertrag von einer führenden russischen Bank zurück.
Die unabhängige Wada-Kommission unter Vorsitz von Richard Pound, mit Richard McLaren und dem deutschen Kriminalbeamten Günter Younger hatten bereits am 9. November 2015 schon einen Bericht ihrer Untersuchungen vorgelegt. Darin war nachgewiesen worden, dass es in der russischen Leichtathletik systematisches Doping und Sportbetrug gegeben hat. Die IAAF suspendierte daraufhin Russlands Verband.