Ulrike Nasse-Meyfarth : „Ein Sportministerium wäre ein Fortschritt“
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Olympische Höhenflüge: Ulrike Meyfarth holte Gold im Hochsprung bei den Spielen 1972 in München und 1984 in Los Angeles. Bild: Imago Sport
Zwei Mal wurde Ulrike Nasse-Meyfarth Olympiasiegerin im Hochsprung. Nun engagiert sie sich als Lehrerin und Trainerin. Im Interview spricht sie über Doping-Skandale, Reformvorschläge – und die Rolle des Sports in der Gesellschaft.
Sie fordern die Auflösung des Weltverbandes der Leichtathletik, der IAAF. Sind Sie auf Distanz gegangen zur Leichtathletik?
Nein, überhaupt nicht. Man muss unterscheiden zwischen der IAAF und ihrer Vetternwirtschaft, der Korruption, den gekauften Sportlern, der Erpressung, den vertuschten Doping-Tests auf der einen Seite und dem Spaß am Sport auf der anderen. Ich lasse mir durch diesen schlimmen Laden meine Leichtathletik nicht verderben.
Sie arbeiten als Trainerin bei Bayer Leverkusen mit Kindern von fast acht bis vierzehn Jahren. Sehen die das genauso?
Sie haben Spaß an der Bewegung. Ich erlebe, dass sie sich animieren lassen und dass die Arbeit mit ihnen fruchtet. Ob sie bei der Leichtathletik bleiben, hängt mit ihrer familiären und persönlichen Entwicklung und etlichen anderen äußeren Umständen zusammen und zum Glück nicht mit der IAAF.
Bleiben Eltern und Kinder weg wegen des verheerenden Bildes, das die IAAF abgibt?
Das glaube ich nicht. Sie haben ja nichts mit dem Leichtathletik-Weltverband zu tun. Von den Eltern sind jedenfalls keine weggegangen. Mit deren Aufwand und Engagement, ihre Kinder regelmäßig zum Sport zu bringen, steht und fällt ja unsere Arbeit. Die Sportler, die in die nationale Spitze vordringenden, fürchte ich, werden aber die Folgen der Doping-Praktiken und ihrer Vertuschung zu spüren bekommen. Schon seit geraumer Zeit wird jeder Erfolg hinterfragt, ob er sauber errungen wurde. Das ist unerträglich.
In welcher gesellschaftlichen Rolle sehen Sie den Sport?
Sport ist Teil der körperlichen Ausbildung und der charakterlichen Erziehung. Die muss zunächst mal in Kindergärten und Schulen ansetzen. Daran mangelt es. In vielen Bundesländern finden nicht einmal Sport und Schule zusammen. Jetzt kommt noch dazu, dass der Sport Aufgaben der Integration insbesondere von Migranten und Flüchtlingen erfüllen soll. Im Hochleistungsbereich erfüllt der Sport dann auch noch eine repräsentative Aufgabe für den Staat und dessen Reputation.
Schafft der Sport das alles?
Ohne Hilfe wird das den Vereinen und nationalen Verbänden sicher nicht gelingen. Zum Beispiel sollten Krankenkassen und Sport in der Gesundheitsvorsorge viel intensiver zusammenarbeiten. Aber letztlich wird es, glaube ich, ohne die gezielte Unterstützung durch den Staat nicht gehen. Ich erwarte, dass er sich viel mehr engagiert.
Sie sehen den Bund in der Pflicht?
Sport ist ein Teil unserer Zivilisation. Er ist eine wichtige Zutat zur Gesundheit, zur Selbstverwirklichung, zum Zusammenleben, letztlich zum Guten der Gesellschaft und zum Glück eines jeden Einzelnen. Warum verteilt die Politik das auf verschiedene Ressorts?
Wie stellen Sie sich eine Lösung vor?
Ich bin keine Politikerin. Aber warum kann man, wenn man sieht, dass es hakt und dass die Aufgaben immer größer werden, nicht mal Föderalismus Föderalismus sein lassen und den Bund in die Verantwortung nehmen? Ich würde ein Ministerium für Sport als großen Fortschritt empfinden.
Eines, das mehr tut, als den Spitzensport zu fördern?
Gesundheit, Integration, Entwicklung – wir wissen alle, was Sport leisten kann. Man muss ihm die Chance dazu geben.
Wie wichtig ist das Vorbild, wie erleben Sie die Faszination Goldmedaille?