Judo-for-Peace-Award : JC Wiesbaden für Hilfe für ukrainische Kinder ausgezeichnet
- -Aktualisiert am
Judo ist mehr als Wettkampf: Der JC Wiesbaden lebt es vor. Bild: Frank Röth
„Habe Bus voller Kinder. Brauche Hilfe“. Mit diesem Notruf aus der Ukraine fing es an. Ein Jahr später wird der JC Wiesbaden für sein Engagement ausgezeichnet. „Ein Zurück gibt’s nicht“.
Manchmal belohnt das Leben die Mutigen: Als Kyryll Vertynskyi im Frühjahr 2022 mit einem alten, gelben Schulbus voller Kinder und Jugendlicher aus der vom Krieg zerstörten ukrainischen Stadt Saporischschja flüchtete, wusste er nicht, wohin. Nur weg, das war sein einziges Ziel. Den 30 jungen Menschen ein neues, besseres Leben bieten – und sich selbst gleich mit. Egal, wo.
Ein knappes Jahr später steht der 38-Jährige im grau-blauen Anzug beim Festakt im Rahmen des Judo-Grand-Slams in Paris auf der großen Bühne und nimmt als offizieller Vertreter des Judo-Clubs Wiesbaden die Auszeichnung für den „Judo for Peace Award“ des Internationalen Judo-Bundes entgegen. „Ich bin sehr glücklich, hier zu sein“, beginnt Vertynskyi seine Dankesworte – und selten hat man es einem Geehrten bei einer Preisverleihung mehr geglaubt. Als „Beispiel für Freundschaft“ bezeichnet der Judo-Trainer die Hilfe, die ihm und seinen Schülern vom Judo-Club und der Stadt Wiesbaden widerfahren ist. „Es ist ein Zeichen, was wir alles erreichen können, wenn wir zusammenhalten.“
Der Wiesbadener Robertson Linsner hatte den Hilferuf seinerzeit empfangen: „Habe Bus voller Kinder. Brauche Hilfe“. Und lotste Vertynskyi mit dessen Besatzung über Moldau, Rumänien, Ungarn und Österreich nach Hessen. Ein paar Tage später kam noch der frühere Leistungssportler Stanislav Bondarenko in einem Sprinter aus der Ukraine hinterher, 13 Jugendliche hatte er in seinem Gefährt untergebracht.
Vertynskyi und Bondarenko wurden mittlerweile in Wiesbaden heimisch, sind als Trainer aus dem Judo-Club nicht mehr wegzudenken, ihre Frauen konnten nachziehen. Die Kinder und Jugendlichen kamen bei der EVIM Jugendhilfe und im Jugendhilfezentrum Johannes-stift unter. „Sie bereiten sich darauf vor, sich hier ein Leben aufzubauen“, sagt Philipp Eckelmann, Präsident des Wiesbadener Judo-Clubs: „Ein Zurück gibt’s nicht“ – in ihrer alten Heimat Saporischschja ist alles zerstört.
Die Eingliederung in das Wiesbadener Leben funktioniert über ein „Potpourri an Hilfsmaßnahmen“, wie es Eckelmann blumig formuliert. Städtische Unterstützung und privates Engagement ergänzten sich. „Je jünger sie sind, desto besser sprechen sie deutsch“, hat Eckelmann festgestellt. Und auch bei der Integration gibt es verschiedene Entwicklungsstufen. Der Sport hilft, über dunkle Momente hinwegzukommen. Regelmäßiges Training strukturiert den Alltag.
Nicht wegzudenken sei dabei Kyryll Vertynskyi, betont Linsner: „Er ist mehr als ein Trainer. Er fängt alles auf.“ Vertynskyi habe durch seinen Mut, „die Verantwortung zu übernehmen, ohne zu wissen, wo es hingeht“, seinen Judo-Schülern vor einem Jahr den Beginn eines neuen Lebens ermöglicht. Nun begleitet er sie auch durch die Untiefen von Pubertät und Anpassung. Einige seiner Schützlinge stehen mittlerweile an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Wie alle 18-Jährigen fragen sie sich: „Wie geht’s weiter?“ – doch bei ihnen erscheint die Fallhöhe größer.
„Judo ist nicht nur Wettkampf“, betont der Moderator bei der Preisverleihung. Judo stehe ebenso für einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft, für Werte und Erziehung. Bei der Wahl setzte sich der JCW gegen Mitbewerber aus Südafrika, Israel, Nepal und Rumänien durch, die ebenfalls die integrative Kraft des Sports nutzen, um gemeinsam für eine friedlichere Welt anzutreten: „And the Winner is . . .“ Dann hat Kyryll Vertynskyi seinen Auftritt. Dass der Preis nicht mit einer Geldsumme dotiert ist, schmälert die Freude keineswegs, sagt Eckelmann: „Wir haben die Ehre gewonnen.“