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Brief an Prof. Werner Franke : „Warum kündigen Sie den Doping-Opfern Ihre Loyalität auf?“

Verteidiger in Sachen der Doping-Opferhilfe: Der Rechtsanwalt Michael Lehner ist seit Dezember Vorsitzender der DOH. Bild: dpa

Der Dopingbekämpfer Professor Werner Franke hat kürzlich die Arbeit des Vereins Doping-Opferhilfe scharf angegriffen. In einem offenen Brief wendet sich nun der Vorsitzende Michael Lehner an seinen einstigen Mitstreiter.

  • -Aktualisiert am
          4 Min.

          Lieber Werner Franke,

          „Doping – Von der Forschung zum Betrug“ hieß das von Ihrer Ehefrau Brigitte Berendonk als Autorin unter Ihrer Mitwirkung herausgegebene Buch: ein Paukenschlag – jedenfalls in der deutschen Sportlandschaft. Alle waren im Nach-Wende-Olympiarausch. Die Sommerspiele 1992 standen vor der Tür. Nicht nur die Sportfunktionäre, sondern auch das breite Publikum war im Goldrausch des wiedervereinigten deutschen Sportes. Der erfolgreiche DDR-Sport und, wie alle es jedenfalls heute wissen, das durchaus kriminelle DDR-Doping-Zwangssystem waren dem deutschen Sport beigetreten. Die Erwartungen gingen auf. Die deutsche Mannschaft gewann in Barcelona 33 Gold-, 21 Silber- und 28 Bronzemedaillen. Deutschland belegte den dritten Platz im Medaillenspiegel.

          Es ist ein Verdienst Ihres Einsatzes, dass wir heute – nicht nur in Deutschland – Anti-Doping wichtig nehmen und jedenfalls in den öffentlichen Statements nur der doping-freie, sprich, saubere Sport hochgehalten wird. Es war gut, dass Sie als „Kämpfer mit der westfälischen Stirn“ unbeirrbar waren. Zu Recht haben Sie zusammen mit Ihrer Ehefrau Brigitte Berendonk 2004 das Bundesverdienstkreuz als Auszeichnung für den Kampf „gegen die menschenverachtenden und kriminellen Methoden des Dopings“ erhalten.

          Im Kampf gegen Lug und Trug – sprich Doping-Betrug – haben wir unzählige Prozesse gemeinsam und äußerst erfolgreich geführt. Sie sind vor keiner Anfeindung zurückgewichen.

          „Wir haben weder die Ärzte und Funktionäre noch die Athleten geschont“

          Wir beide haben in den Anfängen unserer Zusammenarbeit nicht aus einer Opferperspektive gehandelt. Die Angriffe gegen das Buch und die Enthüllungen über den staatlichen Sportbetrug sind hart geführt worden. Wir haben in unseren Statements und Verteidigungsschriften weder die Ärzte und Funktionäre noch die Athleten geschont, denen wir zumeist undifferenziert den Betrüger-Stempel aufgedrückt haben. Die zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen der Prozessgegner wegen deren Prozesslügen hatten uns in unserer damaligen Wahrnehmung nur bestätigt.

          Die Berliner Strafprozesse gegen die politisch Verantwortlichen des DDR-Zwangs-Doping-Systems und insbesondere der intensive Kontakt mit den betroffenen Sportlerinnen und Sportlern dort veranlassten uns zum Umdenken. Nicht nur die gedopten Minderjährigen und die Kindersportler waren mit ihren erheblichen Gesundheitsschädigungen tatsächlich Opfer und eben nicht Täter. Wer von den erwachsenen Sportlerinnen und Sportlern hätte sich denn realistisch betrachtet dem Doping-Zwang entziehen können? Sie waren zu Recht zufrieden, dass schlussendlich auch der Bundesgerichtshof das DDR-Zwangs-Doping-System als kriminell und die im Hinblick auf die gesundheitlichen Folgen ihres Dopings auch im erwachsenen Alter unaufgeklärt gewesenen Sportler als schwer körperverletzt eingeordnet hat.

          Die Wahrnehmung der gedopten Athleten als Opfer und nicht als Täter war die Geburtsstunde unserer gemeinsamen Idee der Doping-Opferhilfe. Es ist jetzt 20 Jahre her, dass wir mit anderen Mitstreitern unseren Doping-Opfer-Hilfeverein gegründet haben.

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