Kerstin Holze im Interview : „Sport ist nicht nice to have, Sport ist unverhandelbar“
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„Das Grundschulalter ist das goldene Lernalter für koordinative Fähigkeiten, ein Zeitfenster für bestimmte Trainingsanreize“, sagt Kerstin Holze. Bild: picture alliance / JOKER
Kerstin Holze ist Kinderärztin und Vizepräsidentin des DOSB. Im Interview spricht sie über frisches Geld aus der Politik, das Konzept zur Nutzung der Mittel und Lernlücken im Sport durch die Pandemie.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat rund 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, ganz überwiegend für die Sportstättensanierung. 25 Millionen werden für den Neustart des Breitensports nach der Pandemie bereitgestellt. Zugleich verlangen die Parlamentarier, Innenministerium (BMI) und organisierter Sport sollten ihre Hausaufgaben machen, das heißt: ein Konzept vorlegen. Haben Sie das mit den Eckpunkten erledigt, die der DOSB am vergangenen Dienstag veröffentlicht hat?
Ich freue mich und bin dem Bundestag dankbar, dass es gelungen ist, die unbedingt erforderlichen Bundesmittel für die Bewegungsförderung und den Breitensport im Bundeshaushalt zu verankern. Dies stellt eine wichtige Unterstützung für unsere 90.000 Sportvereine dar. Erstmalig investieren die Parlamentarier damit Mittel in bedeutendem Maß in das so wichtige Ziel, Deutschland nach zwei Jahren Pandemie wieder in Bewegung zu bringen. Aber das Konzept für den Neustart nach Corona sind die Eckpunkte nicht.
Sondern?
Wir müssen zwischen der kurz- und der langfristigen Perspektive unterscheiden. Kurzfristig geht es beim Neustart nach Corona darum, die Vereine zu unterstützen, um gut aus der Pandemie zu kommen. Mit unserem Eckpunktepapier beschreiben wir anzugehende Herausforderungen und setzen Impulse, damit unser Land mittel- und langfristig bewegter und gesünder wird. Dafür ist ein Perspektivwechsel auf Seiten der Politik notwendig, beispielsweise mit der Etablierung einer Staatsministerin oder eines Staatsministers für den Sport im Bundeskanzleramt. Sport ist Querschnittsthema und muss Eingang in politisches Handeln quer durch alle Ministerien finden.
Der Sport will den Bund umfassend in die Verantwortung nehmen, nicht allein für die Spitzensportförderung. Warum?
Wir haben alle während der Pandemie wie durch ein Brennglas gesehen, wie wichtig Sport und Bewegung für die Gesellschaft sind, aber trotzdem nicht gehört und berücksichtigt wurden. Das soll sich ändern. Mit der Einladung zur gemeinsamen Erarbeitung eines Entwicklungsplans Sport, wie es im Koalitionsvertrag steht, streckt die Politik die Hand aus. Wir ergreifen sie mit den Eckpunkten.
Schafft der Bund mit 476 Millionen Euro für kommunale Sportstätten, die er auf Verpflichtungsermächtigungen von einer Milliarde Euro für die nächsten fünf Jahre drauflegt, so etwas wie einen kleinen Goldenen Plan?
Der DOSB sowie alle Fachleute konstatieren seit Jahren einen großen Investitionsstau bei den Sportstätten. Es ist dringend nötig, dass wir da vorankommen, denn Sport und Bewegung brauchen Raum, funktionierenden Raum. Ich begrüße jede Investition in diesem Bereich. Sie, wie hier, mit der energetischen Sanierung zu verknüpfen, ist ein Schritt in die Zukunft. Dies ist ein guter Start und wird nicht das Ende der Fahnenstange sein können. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, wenn die Förderung weiterhin nur auf kommunale Einrichtungen beschränkt bleiben sollte und damit für vereinseigene Sportstätten – inzwischen immerhin ein Drittel des Gesamtbestandes in Deutschland – keine Bundesförderung beantragt werden kann.
Warum sperren die Haushälter die 25 Millionen Euro bis zum Vorliegen eines Konzepts und lassen anklingen, Sie hätten Ihre Hausaufgaben nicht gemacht?
Investitionen in den Breitensport in dieser Höhe sind ein Novum. Da gibt es viele offene Fragen. Regierung, Parlament und wir haben gut zusammengearbeitet. Das war die Voraussetzung dafür, dass dieses Geld überhaupt zur Verfügung gestellt wird. Wir werden partnerschaftlich mit dem BMI ein stimmiges und effizientes Umsetzungskonzept entwickeln, damit wir einen wirksamen Beitrag leisten können, dieses Land nach den vergangenen zwei Jahren vielfältig wieder in Bewegung zu bringen.
Was soll passieren?