
Impf-Debatte im Sport : Gefährlicher Egoismus
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Mit dem Ende der pandemischen Notlage steigt die Eigenverantwortung. Bild: EPA
Ohne Impfung geht es nicht. Das gilt auch für den Sport. Wer nicht alles dafür tut, die Impfquote nahe an die 100 Prozent zu bringen, kündigt einen Konsens auf, der die Gesellschaft zusammenhält.
Schluss mit der pandemischen Notlage. Ende November soll es so weit sein nach dem Willen der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten. Obwohl die Inzidenzwerte sprunghaft steigen. Das bekommt der Sport zu spüren: Die Zahl der Spiele, die in der Deutschen Eishockey-Liga wegen infizierter Spieler verlegt werden mussten, stieg in dieser Woche weiter. Und die Diskussion um den Impf-Unwillen von Nationalmannschaftskapitän Joshua Kimmich schwelt.
Denn dem Willen der Volksvertreter, die gesetzgeberischen Eingriffe, die mit der Feststellung der pandemischen Notlage von nationaler Tragweite ermöglicht wurden, zurückzubauen, liegt vor allem ein Argument zugrunde: die Impfung gegen Covid-19. Sie ist die conditio sine qua non. Ohne Impfung geht es nicht. Da drängt sich die Frage geradezu auf, ob es nicht sinnvoll wäre, die Impfung zur Voraussetzung für den Spielbetrieb zu machen.
Anderenorts ist es so weit: In New York muss Basketball-Superstar Kyrie Irving zuschauen, weil die Gesetze die Impfung vorschreiben. Im Januar in Melbourne bei den Australian Open sollen nur geimpfte Tennisspieler aufschlagen dürfen. Deshalb ist die Frage höchst relevant, ob auch hierzulande ein Ligaverband wie die Deutsche Fußball-Liga die Impfung zur Voraussetzung für die Teilnahme am Spielbetrieb machen darf und sollte. Die DFL hat in dieser Woche deutlich gemacht, dass sie dazu nicht bereit ist, sie sieht sich dazu nicht berechtigt.
Doch es gibt beachtenswerte Gegenmeinungen. Der renommierte Sportrechtler Rainer Cherkeh sieht die Liga-Verbände in der Pflicht, schon aus Fürsorge gegenüber den Sportlern. Er hält die Umsetzung einer Impfpflicht für zulässig und geboten. Sein Argument: die im Grundgesetz garantierte Verbandsautonomie, sonst häufig Liebling der Verbände, wenn es um den Schutz von Privilegien geht.
Auf die Impfpflicht bezogen, mag das die Frage aufwerfen, ob Gesangs- oder Anglervereine ihre Mitglieder dann auch zur Impfung zwingen könnten. Aber heruntergebrochen auf die Vorstellung einer Chorstunde, bei der eben nur geimpfte Mitglieder singen dürfen, erscheint die Antwort auf die offene rechtliche Frage, ob das zulässig sein kann, durchaus: ja, warum denn nicht?
Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass die DFL und andere deutsche Ligen ihre Sportler zur Impfung zwingen werden. Dafür gibt es Gründe, vor allem die Rücksichtnahme auf die Freiheit des Einzelnen. Die aber hat ein Spiegelbild: von Verweigerern unter den Profis, die sich impfen lassen könnten, es aber nicht tun, spiegelt das deren rücksichtslosen Egoismus, während Grundschulkinder jeden Morgen ungeimpft im Schulalltag der vierten Welle sitzen.
Dabei sinkt mit dem Ende der pandemischen Notlage die Eigenverantwortung nicht etwa – sie steigt. Erheblich. Wer nun, zum Beispiel als Bürger, zum Beispiel als Ligaverband, immer noch nicht alles dafür tut, die Impfquote an nahe 100 Prozent zu bringen, kündigt einen Konsens auf, der die Gesellschaft zusammenhält.