Winterspiele 2026 in Italien : Mailand nimmt alles bei der Olympia-Wahl
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Freude auf Olympia 2026 in Italien: Snowboarderin Michela Moioli (links) und Skifahrerin Sofia Goggia Bild: dpa
Fünf Bewerber blieben vorher auf der Strecke. Bei der Wahl des Ortes für Olympia 2026 gewinnen Mailand und Cortina d’Ampezzo. Da hilft auch der flotte Abba-Gesang der Bürgermeisterin von Stockholm nicht mehr.
Der flotte Abba-Gesang der Bürgermeisterin von Stockholm hat die Stimmung nicht mehr drehen können: Mailand takes it all. Mit der deutlichen Mehrheit von 47 zu 34 Stimmen, bei einer Enthaltung, gewann am Montag die Bewerbung von Mailand und Cortina d’Ampezzo das Recht, die Olympischen Winterspiele 2026 auszurichten. Damit entschied sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) auf seiner 134. Vollversammlung in Lausanne, den staatlichen Garantien des in der Krise befindlichen Landes Italien mehr zu vertrauen als den Absichtserklärungen der schwedischen Wirtschaft, die erst nach dem Zuschlag zu verbindlichen Verträgen hätten führen können. Stockholm und Are zusammen mit der lettischen Stadt Sigulda waren die einzigen Konkurrenten der Italiener – zuvor waren fünf weitere Bewerber auf der Strecke geblieben.
Während Schweden am Montag noch einmal alles gab, bewegte sich Mailand/Cortina bei der Schlusspräsentation vor den 82 Wahlberechtigten – seltsam siegessicher wirkend – auf dem bewährten Gelände olympischer Floskeln. Auch die Rede von Premierminister Giuseppe Conte zündete nicht. Das Ergebnis der IOC-Umfrage, dass das ganze Land zu mehr als 80 Prozent hinter der Bewerbung steht, schien alles andere zu überlagern. Die bedrohliche ökonomische Lage in Italien, die demnächst in ein Defizitverfahren der Europäischen Union münden könnte, habe nichts mit der Olympia-Bewerbung zu tun, betonten die vielen Amtsträger in der Delegation, darunter die Gouverneure der Provinzen Lombardei, Attilio Fontana, und Venetien, Luca Zaia.
Giuseppe Sala, Bürgermeister von Mailand, berief sich auf die Wirtschaftsstärke seiner Stadt und der norditalienischen Regionen. Mailand trage zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Italiens bei. Insgesamt helfe das Projekt auch dem Land, allein durch die Tourismus-Werbung profitiere die Region. „Die wahre Frage ist, können wir die Aufgabe gut bewältigen, und wir haben auf solide Weise demonstriert, dass wir das können“, erklärte der Bürgermeister unter Berufung auf die Weltausstellung 2015.
Stockholm/Are schien zu ahnen, dass es mehr Überzeugungskraft würde aufbieten müssen. Die Delegation nutzte den Endspurt für den Versuch, mit Argumenten die wichtigsten Kritikpunkte auszuräumen. Die Zweifel daran, ob die Absichtserklärungen der schwedischen Wirtschaft, rein privat finanzierte Spiele auf die Beine zu stellen, tragfähig wären, sprach Premierminister Stefan Löfven direkt an. „Sie können sich auf Schweden verlassen. Sie können Schweden trauen“, sagte er. Und Industrie-Schwergewicht Carl-Henric Svanberg beteuerte vor den IOC-Mitgliedern: „Die Wirtschaftskraft ist die beste Garantie, die sie kriegen können.“
Überzeugende Rede, aber zu spät. Dass die öffentliche Hand nur das Nötigste aus Steuergeldern beitragen wollte, war beim IOC schlecht angekommen. „Die Regierung steht hinter der Bewerbung“, erklärte Premierminister Stefan Löfven bei der letzten Pressekonferenz vor der Wahl mit fester Stimme. Sofort leitete er auf den Reformkurs des IOC über, dessen Spitze neuerdings sparsame Ikea-Versionen der Spiele – zumindest theoretisch – favorisiert. Das Ganze unter den Schlagworten „Agenda 2020“ und „New Norm“.
Die Winterspiele 2026 könnten ein neuer Start sein, wie Olympische Spiele in Zukunft gestaltet werden sollten. Auch Kronprinzessin Victoria von Schweden hatte am Vortag voll und ganz diese Linie vertreten: „Ich glaube, wir werden fähig sein, das zu liefern, wonach das IOC gefragt hat.“ Bewerbungs-Chef Richard Brisius argumentierte außerdem damit, dass in Schweden der Steuerzahler ohnehin schon viel in die Infrastruktur investiert habe. „Wir haben zum Beispiel das zweitbeste regionale Transportsystem nach Singapur.“
Die vergleichsweise schwache Zustimmung in der Bevölkerung redete Stockholms Bürgermeisterin Anna König Jerlmyr weg. Ihre Landsleute seien eben zurückhaltend. Dass Schweden erstmals Winterspiele austragen würde, fand die Kronprinzessin auch noch einer Erwähnung wert: „Wir haben es lange probiert – warum also nicht?“ Olympia war wirklich lange nicht da: Die Sommerspiele 1912 fanden in Stockholm statt, 1956 lediglich die Reiterwettbewerbe. Und das, obwohl das schwedische Königspaar Carl XVI. Gustaf und Silvia bei den Olympischen Spielen 1972 in München kennen gelernt hat, Victoria also gewissermaßen im Zeichen der fünf Ringe geboren ist.
Bei der Schlusspräsentation hatte sie sich unter eine Art Cheerleader-Gruppe gemischt. Dass die Bürgermeisterin von Stockholm plötzlich zu singen begann (“Dancing Queen“), ließ noch einmal alle aufhorchen. Das schwedische IOC-Mitglied Gunilla Lindberg, ein erfahrener Profi bei der Evaluierung von Olympiabewerbern, ließ dann allerdings jeden Humor fahren. Sie provozierte als letzte Rednerin der Präsentation ihre Kollegen: „Ist das IOC bereit für die New Norm – oder sind das alles nur Worte?“ Das klang schon zu diesem Zeitpunkt nach Verzweiflung.