IOC-Präsidentenwahl : Kronprinzen auf Stimmenjagd
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Im Zeichen der Fackel: Ng Ser Miang (links) aus Singapur und Thomas Bach wollen beide Herren des olympischen Feuers werden Bild: picture alliance / dpa
Sechs Bewerber kandidieren um die Nachfolge des scheidenden IOC-Präsidenten Jacques Rogge, darunter Vizepräsident Thomas Bach. Die Wahlkämpfer werben mit Werten und Idealen - aber auch mit durchsichtigen Manövern.
Am Ende einer anstrengenden Sitzungswoche in St. Petersburg erlaubte sich Jacques Rogge einen sentimentalen Moment. Er sah seine zwölfjährige Präsidentschaft als olympischen Marathon und sich selbst auf den letzten Metern. „Ich befinde mich definitiv im Endspurt“, sagte der 71 Jahre alte Belgier, dessen Amtszeit als Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bei der Vollversammlung in Buenos Aires zu Ende gehen wird. „Ich sehe schon die Ziellinie und das Banner, auf dem steht: 10. September 2013.“ Der Präsident wirkte müde, als er sagte: „Ich hoffe, ich werde das Ziel in guter Form erreichen, das IOC meinem Nachfolger in starkem Zustand hinterlassen und meine Pflicht erfüllt haben.“
Keine Frage: Es gibt gleich sechs Männer, die ihm das am 10.September gerne bescheinigen wollen - Hauptsache, sie werden IOC-Präsident. In den Messehallen von Lenexpo, wo im Rahmen des Kongresses SportAccord eine Sitzung die nächste jagte und gut 30 IOC-Mitglieder - und damit potentielle Wähler - unterwegs waren, nutzten die Herren Kronprinzen denn auch die Gelegenheit, für sich zu werben. Favorit Thomas Bach, Vizepräsident und Macher, stellte sich zwischen den stressigen Meetings in seltener Ausgiebigkeit den Journalisten. Richard Carrión, der Bankier des IOC und Nichtsportler, hatte sich einen ganz neuen, jovialen Gesichtsausdruck angeschafft. Ng Ser Miang aus Singapur, als Veranstalter der ersten Youth Games der selbsternannte Jugendbeauftragte des IOC, versteckte den Ernst der Lage hinter seinem asiatischen Lächeln. Boxpräsident Wu Ching Kuo aus China gab sich gesammelt. Und die beiden Neuen bemühten sich, den Rückstand auf die Konkurrenten aufzuholen, die ihre offiziellen Erklärungen bereits hinter sich hatten.
Idealist und altgedienter Spitzenfunktionär
Der Schweizer Denis Oswald, der sich erst am Freitag vor Beginn der Sitzungen dazu hatte durchringen können, seine Kandidatur bekanntzugeben, tat sich sichtlich schwer mit der Eigenwerbung. „Das ist nicht mein Temperament“, sagte der 66 Jahre alte Juraprofessor aus Neuchâtel. „Ich verkaufe mich nicht gern. Ich hoffe, dass das, was ich bin, und was ich getan habe, mehr zählen wird als Händeschütteln und Kontaktpflege.“ Was er ist: Idealist, altgedienter Spitzenfunktionär im IOC und Präsident des Ruder-Weltverbandes. Das Schwergewicht seiner Bewerbung legt er auf Wahrung der olympischen Werte - ganz ähnlich wie seine fünf Konkurrenten.
Doch wem nimmt man ab, dass er das auch wirklich meint? Dem sachlichen Denis Oswald, der mit seinem Rollköfferchen von Termin zu Termin zog, vielleicht noch eher als dem gelackten Sergej Bubka, dem steinreichen ehemaligen Stabhochspringer aus der Ukraine. Der 49 Jahre alte Weltrekordhalter aus Donezk lud für die Präsentation seiner Kandidatur in ein nahe gelegenes Restaurant, wo zahlreiche Kellner immer mehr Essen auftrugen, kaltes Fleisch und Salat, schwere Teigtaschen mit Lachs und Käse und Etageren mit Petit Fours, so lange, bis die Tische sich fast bogen.