IOC-Entscheidung zu Russland : „Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportler“
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Verurteilt die IOC-Entscheidung: Bundesinnenministerin Nancy Faeser Bild: dpa
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser kritisiert die Empfehlung des IOC, Athleten aus Russland und Belarus wieder zu internationalen Wettkämpfen zuzulassen, scharf. Auch andere Reaktionen fallen deutlich aus.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die IOC-Entscheidung zur geplanten Wiederzulassung von Sportlerinnen und Sportlern aus Russland und Belarus mit scharfen Worten verurteilt. In einer Mitteilung sprach die SPD-Politikerin am Dienstag angesichts des andauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine von einem „Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler“. Faeser betonte: „Es gibt keinerlei Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport.“
Dass das Internationale Olympische Komitee Angehörige des russischen Militärs wie auch Mannschaften nicht zulassen wolle, sei nur das absolute Minimum und reiche nicht aus. „Olympische Spiele finden nicht im luftleeren Raum statt. Wer den Kriegstreiber Russland internationale Wettbewerbe für seine Propaganda nutzen lässt, der schadet der olympischen Idee von Frieden und Völkerverständigung“, sagte die für den Sport zuständige Ministerin.
„IOC beweist mangelndes Verständnis der Menschenrechte“
„Es gibt hier nicht den ‚neutralen Athleten‘, den sich das IOC offenbar vorstellt. Dies wird die Reaktion der Ukraine zeigen, die aller Voraussicht nach in einen Boykott der Spiele in Paris mündet“, sagte der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU, Stephan Mayer. Damit seien die Rollen von Tätern und Opfern endgültig in grotesker Weise vertauscht. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU), kritisierte, es sei „für ukrainische Sportler unzumutbar, sich mit Sportlern zu messen, denen sie möglicherweise bald an der Front in einem Kampf um Leben und Tod gegenüberstehen“. Zu erwarten, dass sich siegreiche russische Sportler nicht anschließend vor den Propagandakarren des Kremls spannen lassen, sei daher bestenfalls naiv.
Ähnlich äußerte sich die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Renata Alt (FDP). Trotz neutraler Flagge biete die Entscheidung eine internationale Bühne für die menschenverachtende Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Das IOC beweist damit wieder einmal ein mangelndes Verständnis der Menschenrechte“, erklärte Alt in einer Mitteilung. Enttäuscht äußerte sich auch Tina Winklmann, die sportpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Sie wünsche sich, dass das IOC seine Entscheidung überdenke.
Ukrainischer Sportminister und Klitschko äußern sich
In der Ukraine wurde der Beschluss derweil unterschiedlich bewertet. Sportminister Wadym Hutzajt schrieb bei Facebook: „Wir haben es geschafft, dass die Entscheidung über die Zulassung von Russen und Belarussen zu den Olympischen Spiele 2024 verschoben wird.“ Der frühere Box-Weltmeister und Olympiasieger Wladimir Klitschko warf IOC-Präsident Bach unterdessen vor, den „Farben und Interessen Russlands“ zu dienen. Die Entscheidung des IOC „verseucht den olympischen Geist und ist wie dieser Krieg: Unsinn“, schrieb Klitschko bei Twitter.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hält eine Rückkehr russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten zu internationalen Wettkämpfen für falsch, widersetzt sich aber nicht der Mehrheit der Befürworter. „Der DOSB war und ist weiterhin gegen die Wiederzulassung“, twitterte der Dachverband des deutschen Sports am Dienstag. „Aber wir akzeptieren, dass wir mit dieser Haltung einer Minderheit im internationalen Sport angehören.“ Es sei nun umso wichtiger, dass die strikten Voraussetzungen glaubhaft umgesetzt und bei Verstößen Sanktionen verhängt würden.
Eine Entscheidung über einen Start russischer und belarussischer Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris hatte das IOC am Dienstag ausdrücklich noch offen gelassen.
Athleten Deutschland enttäuscht
Die Interessengemeinschaft Athleten Deutschland reagierte enttäuscht auf die IOC-Empfehlung. „Das IOC setzt sich für Frieden und Völkerverständigung ein“, hieß es in einer Mitteilung. „Es trifft diese Entscheidung zu einem Zeitpunkt, an dem Russland den Angriffskrieg mit unverminderter Härte weiterführt und dabei täglich Opfer unter den Ukrainern in der Zivilbevölkerung und Athletenschaft fordert.“ Deshalb hält die Vereinigung die Wiederzulassung für manche Sportler und Sportlerinnen aus diesen beiden Ländern für falsch. „Dieses Instrument ist aus unserer Sicht nicht geeignet, die Instrumentalisierung des Sports und der Athleten für Putins Kriegspropaganda zu unterbinden“, hieß es weiter.
Ein kollektiver Ausschluss wäre ein geeignetes und legitimes Mittel gewesen, auch ohne gegen Diskriminierungsverbote zu verstoßen. In den Empfehlungen des IOC komme eine differenzierte Abwägung der Rechte und Schutzbedürfnisse von ukrainischen Athleten auf der einen und die russischen Athleten auf der anderen Seite zu kurz.
Die Empfehlung, Angehörige des Militär- und Sicherheitsapparats sowie Mannschaften auszuschließen, könne nur als Minimallösung bewertet werden. „Immerhin dürfte damit das Gros der Athleten ausgeschlossen werden“, so Athleten Deutschland. „Dennoch sind wir besorgt, dass auch die Wiederzulassung unter Auflagen insbesondere ukrainische Sportler die Opfer dieses Angriffskrieges zum Rückzug aus dem Weltsport Sport drängen könnte.“