Stichwahl in Kiew : Die letzte Chance des Vitali Klitschko
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Für die Heimat: Vitali Klitschko will Haltung zeigen im politischen Ring. Bild: dpa
Am Sonntag tritt Vitali Klitschko bei der Stichwahl um das Amt des Kiewer Bürgermeisters an. Die Wiederwahl gilt als sicher. Doch der frühere Boxer muss hart darum kämpfen, sich als großer Politiker zu behaupten.
Ausgerechnet in Moskau steigt Vitali Klitschko zum letzten Mal in den Ring. Es ist Anfang September 2012, anderthalb Monate vor der Parlamentswahl in seinem Heimatland Ukraine. Bei dieser Wahl wird der prominente Boxer mit der Partei UDAR sensationelle 14 Prozent holen. In Abwesenheit von Julija Timoschenko, die wegen Amtsmissbrauchs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, wird Klitschko neben Arsenij Jazenjuk zur wichtigsten Figur der ukrainischen Opposition. Doch an diesem Tag im September denkt er nicht an Politik. Und nicht an das Karriereende.
Klitschkos letzter Gegner ist der Deutsche Manuel Charr. Bisher unbesiegt, aber völlig chancenlos gegen den Ukrainer, der seinen WBC-Weltmeistertitel zum elften Mal in Folge verteidigen will. Das gelingt problemlos. Schon in der vierten Runde wird der Kampf abgebrochen. Technischer K. o. - und der 45. Sieg des Vitali Klitschko. Für das russische Publikum im Moskauer Olimpijskij-Stadion ist er, mit nur zwei Niederlagen einer der größten Boxer in der Geschichte des Sports, noch der absolute Held. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine war damals für viele noch unvorstellbar.
„Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich bin noch nicht bereit, um eine Antwort zu geben. Nichts ist aber ausgeschlossen“, sagt Klitschko über seine Zukunftspläne nach dem Kampf gegen Charr. Seine engsten Freunde sind sich sicher: Er hätte gerne noch einige Male auf dem höchsten Niveau geboxt. Und der Deutsch-Libanese Charr sei definitiv nicht der Gegner, den „Dr. Eisenfaust“ im letzten Kampf seiner Karriere besiegen wollte. Nach der erfolgreichen Parlamentswahl sieht Klitschko aber die Chance, einen anderen Kampf zu gewinnen. Der Boxer will der nächste Präsident der Ukraine werden. Und das kann er tatsächlich.
An diesem Sonntag, drei Jahre später, wird Klitschko womöglich als Bürgermeister von Kiew wiedergewählt. Ein großes Amt in einer großen europäischen Hauptstadt, ein Traum für viele - aber nicht mehr für Klitschko. „Kiew ist meine Zukunft - und ich muss der Bürgermeister werden“, sagte er vor vielen Jahren. Heute weiß der 44-Jährige aber ganz genau: Seinen größten politischen Kampf, den Kampf um das Präsidentenamt seines Landes, hat er vorerst verloren. Mal wieder bekommt er nicht das, was er ursprünglich wollte.
Dieser Kampf beginnt vor elf Jahren, im späten Herbst 2004. Während der Orangenen Revolution beziehen Vitali und sein jüngerer Bruder Wladimir, die sich bisher aus der ukrainischen Politik herausgehalten haben, offen Stellung: Sie unterstützen die Proteste gegen die Wahlfälschungen bei der zweiten Runde der Präsidentenwahl, deren Ergebnis den Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch vorne sah. Das Oberste Gericht ordnete die Wiederholung der Stichwahl an, der von den Klitschkos unterstützte Oppositionsführer Viktor Juschtschenko gewann.
Waren denn diese Tage in Kiew ausschlaggebend? „Ich habe in diesem Moment verstanden, dass ich unser Land gestalten und nach vorne bringen möchte“, sagt Klitschko heute. Als er wenig später seine sportliche Karriere wegen einer Verletzung unterbrechen muss, legt der Boxer politisch erst richtig los. Es beginnt in Kiew, wo er 2006 und 2008 vergeblich für das Amt des Bürgermeisters kandidierte. Und dann doch auf nationaler Ebene: 2010 gründet Klitschko die eigene Partei UDAR (Ukrainische demokratische Allianz für Reformen), die im Herbst 2012 zur drittstärksten Fraktion im ukrainischen Parlament wird. Ein schwerer, aber dennoch gelungener Einstieg.