Umstrittener Funktionär Wehling : Wo bleibt die Empörung?
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„Angelegenheit des Thüringer Skiverbandes“: Ulrich Wehling Bild: Picture-Alliance
Der russische Doping-Skandal sorgt für Empörung unter deutschen Funktionären. Ein Mitgestalter des DDR-Zwangs-Dopings genießt derweil freies Spiel. In Oberhof wird er beim Biathlon-Weltcup gar hofiert.
Es wurde nicht nur gefeiert während des für die deutschen Biathleten so erfolgreichen Weltcups am Wochenende in Oberhof. Selten haben so viele Athleten unmittelbar vor oder nach ihren Wettkämpfen so ernsthaft über die existentielle Bedrohung ihres Sports gesprochen. Die Tschechin Gabriela Koukalová, Führende der Gesamtwertung, nahm kein Blatt vor den Mund mit Blick auf das im Report des kanadischen Juristen McLaren beschriebene Staats-Doping in Russland, in das auch 31 Biathleten und Biathletinnen involviert sein sollen: „Das russische Team ist offenbar nicht in der Lage, mit den internationalen Anti-Doping-Organisationen zu kooperieren. Dann haben sie bei unseren Rennen nichts zu suchen.“
Zuvor hatten sich 60 Athleten versammelt und Sorgen wie Forderungen gegenüber dem internationalen Verband formuliert. Und der Präsident des Deutschen Skiverbandes, Franz Steinle, erklärte in Oberhof, er rechne noch vor der Biathlon-WM im Februar in Hochfilzen (Österreich) mit weiteren Ergebnissen bei der Aufarbeitung des Skandals: „Das kann man nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben“, sagte der Jurist, im Hauptberuf Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart.
Mitgestalter des Staatsplans 14.25
Die Aufregung in Deutschland unter Funktionären und Sportlern erscheint besonders groß und verständlich. Was McLaren in seinem zweiten Report Anfang Dezember beschreibt, erscheint nicht nur Insidern des DDR-Spitzensports als Blaupause des Staatsplans 14.25, der Basis für das flächendeckende Zwangs-Doping im SED-Staat, mit dem rund 12.000 Sportler vergiftet wurden.
Umso erstaunlicher war es, dass ein Profiteur und Mitgestalter dieses Manipulationssystems am Wochenende in Oberhof hofiert wurde. Ulrich Wehling gehörte zu den Gästen im VIP-Zelt. Er ist seit dem 1. Dezember 2016 der neue Geschäftsführer des Thüringer Ski-Verbandes. Zu DDR-Zeiten hatte er nach Aussagen eines Zeugen als stellvertretender Generalsekretär des DDR-Skiläufer-Verbandes, zuständig für den Spitzensport, Repressionen gegen Trainer und Sportler mitgetragen, die sich weigerten, Doping-Mittel zu verabreichen oder einzunehmen. Wehling war nach Angaben von Henner Misersky „1985 bei einem Tribunal in Oberhof zum neuen Verbandskonzept beteiligt, wo der Einsatz von Anabolika im Skilanglauf bereits bei Minderjährigen, ab Altersklasse 16 beschlossen wurde. Wehling übte direkt Druck auf mich aus. Ich weigerte mich, das Doping-Konzept mitzutragen, und wurde kurze Zeit später per Telefonanruf vom DDR-Vize-Sportchef Thomas Köhler fristlos entlassen,“ (F.A.Z.-Plus vom 8. November 2016.)
„Angelegenheit des Thüringer Skiverbandes“
Misersky und auch dessen Tochter Antje, 1992 Olympiasiegerin im Biathlon, wurden „ausdelegiert“. Auf die Beteiligung Wehlings hatte der frühere Hindernisläufer und spätere Skilanglauf-Trainer Misersky, Mitglied der Hall of Fame des deutschen Sports, schon vor einem Vierteljahrhundert in der ARD hingewiesen. Zu der Einstellung des dreimaligen Olympiasiegers in der Nordischen Kombination als Geschäftsführer des Thüringer Ski-Verbands mit 64 Jahren wollen Verantwortliche des deutschen Sports keine Stellung nehmen.
„Dies ist die Angelegenheit des Thüringer Skiverbandes. Dazu werde ich mich nicht äußern“, sagte DSV-Chef Steinle in Oberhof auf Anfrage. Im Dezember hatten sich der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann, und auch der DOSB-Vorstandsvorsitzende Michael Vesper ähnlich geäußert. Der neue Spitzenfunktionär Wehling ließ sich beim Weltcup in Oberhof nur einen Satz entlocken: „Ich war am DDR-Doping nicht beteiligt.“
Eine Aussage, die den Heidelberger Doping-Aufklärer und Enthüller des DDR-Staats-Dopings, Werner Franke, in Rage bringt. „Da Wehling nun in Thüringen installiert wurde und weiterhin die Unwahrheit äußert, sage ich ganz klar: Das DDR-Doping ist ein Verbrechen, das hat der Bundesgerichtshof im Berufungsverfahren von Sportchef Manfred Ewald so entschieden. Wenn die Thüringer Ski-Sportwelt glaubt, sie müssten einen solchen Kriminellen an der Spitze haben, um Medaillen zu holen, dann lieben sie die Kriminalität, nämlich ihre eigene.“