Russisches Doping : Wada verlangt Erklärung für Daten-Abweichungen
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Der russischen Anti-Doping-Agentur droht eine abermalige Sperre. Bild: Picture-Alliance
Wegen manipulierter Daten hat die Wada abermals ein Verfahren gegen Russland eingeleitet. Damit ist der Start unter russischer Flagge bei der Leichtathletik-WM in Doha vom Tisch. Doch die Konsequenzen könnten noch weiter reichen.
Russland ist wieder am Zug: Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat der Russischen Anti-Doping-Agentur (Rusada) und dem Sportministerium des Landes drei Wochen Zeit gegeben, um zu erklären, wie es zu Unstimmigkeiten in dem Datensatz aus dem Moskauer Labor kommen konnte, der ihr im Januar zur Verfügung gestellt wurde. Diese Unstimmigkeiten legen den Verdacht nahe, dass jemand die Daten vor der Übergabe manipuliert haben könnte.
Aufgrund dieser Auswertung der Wada hat auch der Leichtathletik-Weltverband IAAF am Montag bei seiner Council-Sitzung beschlossen, dass der russische Leichtathletik-Verband Rusaf weiterhin gesperrt bleibt. Bei der am Freitag in Qatar startenden Weltmeisterschaft dürfen russische Athleten nur nach eingehender Prüfung unter neutraler Flagge starten. „Es kann ganz klar gesagt werden, dass Russland die Bedingungen für eine Wiederzulassung nicht erfüllt hat“, sagt Rune Andersen, Chef des IAAF-Inspektionsteams. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen.
Russland hatte die Daten erst nach zähen Verhandlungen herausgegeben. Aus ihnen kann die Ermittlungsabteilung der Wada möglicherweise juristisch belastbare Belege gewinnen, was den Umfang des russischen Staatsdopings von 2012 bis 2015 und individuelle Fälle von Doping-Vertuschung angeht. Erste Verfahren, die auf diesen Belegen beruhen, werden bereits von Fachverbänden geführt.
Russische Teilnahme in Tokio 2020 fraglich
Die Wada war bereits seit Oktober 2017 im Besitz einer Kopie der Daten, der sogenannten Lims-Datei (Laboratory Information Management System) gewesen, die ihr ein Whistleblower zugespielt hatte. Der Vergleich der Datensätze ergab Abweichungen, die die Wada bereits am 2. Juli öffentlich bemängelt hatte, aber noch genauer untersuchen wollte. Vor einer Woche eröffnete die Wada ein formales Compliance-Verfahren gegen die Russische Anti-Doping-Agentur. Sollte dieses negativ ausfallen, könnte sie suspendiert werden, wie zwischen 2015 und 2018.
Die Übergabe der Lims-Datei war eine der Bedingungen für eine Wiederzulassung gewesen, die im September 2018 erfolgte. Die Folgen einer abermaligen Suspendierung der russischen Anti-Doping Agentur Rusada könnten vielfältig sein. Sie betrifft nicht nur die Auslagerung der Anti-Doping-Maßnahmen und des Testbetriebs. „Es ist eine sehr ernste Situation“, wird Stanislaw Posdnjakow, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Russlands, in einer Stellungnahme von der Nachrichtenagentur AP zitiert. Sofern Russland nicht belegen könne, dass die Vorwürfe falsch seien oder nachweisen könne, wer die Daten gefälscht hat, „könnte die Teilnahme des russischen Olympia-Teams an Spielen in Tokio nächstes Jahr in Gefahr sein“. An den Olympischen Winterspielen 2018 hatten die russischen Sportler auf Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees lediglich unter neutraler Flagge antreten dürfen. Danach erklärte das IOC den Fall aber für abgeschlossen.
In einer Stellungnahme, in der sie die Ergebnisse ihrer Exekutivsitzung vom Montag in Tokio zusammenfasste, erklärte die Wada, dass keines der 47 Beweispakete gegen russische Sportler von den Unstimmigkeiten betroffen sei, die sie bereits an internationale Fachverbände geschickt hat. Zwölf Gewichtheber wurden bereits vorläufig gesperrt, auch der Biathlon-Weltverband wurde bereits aktiv.
Die Wada hat den russischen Behörden den Bericht, den ihre Ermittlungsabteilung zusammen mit unabhängigen forensischen Experten erarbeitet hat, bereits zugestellt, zusammen mit einem Fragenkatalog. Der russische Sportminister Pawel Kolobkow sagte AP, russische Spezialisten würden sich an einer Untersuchung der Diskrepanzen beteiligen. Die Prozedur scheint trotz der Fristsetzung langwierig. Die Wada-Experten werden, sobald sie Antworten erhalten haben, diese analysieren und das „Compliance Review Comitee“ informieren, das wiederum entscheiden wird, ob es eine formale Empfehlung vor die Exekutive bringen wird. „Dafür gibt es keinen festen Zeitrahmen“, heißt es in der Erklärung, die Wada werde aber „die Sache so schnell verfolgen, wie es praktikabel ist.“