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Per Günthers Wutrede : Wollen wir das so?

„Augenmaß und Menschlichkeit ist nicht der Slogan der Nada“: Per Günther Bild: dpa

Per Günther hat nicht in allen Punkten seiner Wutrede gegen das Doping-Kontrollsystem Recht. Doch die Sportler müssen mitspielen. Das ist das System. Wir, die Zuschauer, müssen uns fragen: Wollen wir das so?

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          Per Günther ist der beliebteste deutsche Basketballspieler, jedenfalls in der Bundesliga. Er hat das schriftlich, er wurde 2012 und 2013 von den deutschen Fans als beliebtester BBL-Profi ausgezeichnet. Er spielt bei einem der stärkeren Vereine und in der Nationalmannschaft, kurz: Man kann ihn beneiden. Besser gesagt: Man könnte. Der Neid legt sich schnell, wenn man hört, was Per Günther seit zehn Jahren auf sich nimmt, um seinen Beruf auszuüben, um zu zeigen, dass er sauber spielt.

          Günther hat nicht in allen Punkten seiner bemerkenswerten Wutrede recht - natürlich gilt der Kodex der Welt-Anti-Doping-Agentur auch für Spanier und Franzosen. Ob sie tatsächlich so häufig und zu ähnlichen Zeiten kontrolliert werden wie er, steht auf einem anderen Blatt. Auf einem, in das Sportler keinen Einblick haben. Auch deshalb klingt er ähnlich wütend wie Claudia Pechstein, die sich öffentlich über die Unterwerfungsklauseln im internationalen Sport beschwert und bislang 55 Unterstützer für ihre Sache gewonnen hat.

          Und im Gegensatz zur Eisschnellläuferin strengt Günther keinen Prozess gegen das System an. Seine Wut ist ungefiltert, frei von finanziellen Interessen. „Was ist los bei euch?“, fragt Günther die Hüter des Systems. Warum wird ihm mit einer Elle Abstand aufs Geschlecht geschaut, wenn er eine Urinprobe abgibt? Antwort der Funktionäre: Weil der ungarische Diskuswerfer Fazekas 2004 in Athen versuchte, Fremdurin ins Röhrchen zu füllen. Warum unterwirft sich Günther dem Meldesystem „Adams“? 65 belgische Sportler hatten dagegen aus datenschutzrechtlichen Gründen geklagt und 2012 verloren.

          Dabei hat der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung „Adams“ schon 2009 mit einer elektronischen Fußfessel verglichen. Warum lassen sich Sportler wie Günther darauf ein? Weil sie zeigen wollen, dass sie sauber sind, sagen die Funktionäre und auch viele Sportler, aber eine Wahl haben sie nicht. Kommende Woche wird der reformierte Wada-Kodex für 2015 verabschiedet. 2268 Veränderungen soll es geben, aber den Sportlern wird weiterhin keine Wahl gelassen. Sie müssen mitspielen. Das ist das System. Deshalb wird es Zeit, dass auch wir, die Zuschauer, uns fragen: Wollen wir das so?

          Christoph Becker
          Sportredakteur.

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