
Schmerzmittel im Sport : Schmerz und Hirn
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Pillen helfen gegen alles? Manche Sportler wappnen sich prophylaktisch. Bild: dpa
Wer als Sportler die Alarmsignale des Körpers ignoriert, wird mitunter als heldenhaft herausgehoben. Den Preis zahlen die meisten Eintagsheroen viel später, meist so einsam wie vergessen.
Wer unerträgliche Schmerzen hat, weiß um die segensreiche Entdeckung von Schmerzmitteln. Und um das Glück, gesund zu sein. Warum werfen sich dann Heerscharen von Sportlern Schmerzmittel in den Rachen? Manche, um ihrem Beruf nachgehen zu können, weil Lust oder Zwang die Vernunft überbieten, der lästigen Pein auf den Grund zu gehen.
Andere wappnen sich prophylaktisch. Handballspieler berichteten immer wieder von ihren Versuchen, eine pharmakologische Schutzhülle aufzubauen, um Schläge der gegnerischen Verteidigung im Spiel leichter aushalten zu können. Jungen Radrennfahrern gaben Trainer Aspirin vor dem Wettkampf gegen „brennende“ Muskeln. Viele andere Athleten haben weder eine therapeutische (entzündungshemmende) noch eine Schutzbegründung zu bieten. Sie betrachten die Einnahme als Chance, einen gewissen Kopfschmerz zu überwinden: sich nicht gut genug, nicht erfolgreich genug zu fühlen. Darunter sind Abertausende Profis wie Hobbyathleten. Das belegen Umfragen seit Jahren. Sie glauben, ein Schmerzmittel mache sie stärker, schneller, erfolgreicher.
An dieser These hat nicht nur die Deutsche Schmerzgesellschaft ihre Zweifel. Schmerzmittel haben keine anabole Wirkung, mit ihnen lassen sich keine Muskeln aufbauen. Ob sie das Belastungsempfinden reduzieren, also intensiveres Training möglich machen, ob sie die Wettkampfhärte verlängern, ist nicht bewiesen. „Verschiedene Studien“, schreibt die Schmerzgesellschaft, hätten „gezeigt, dass die gefühlten Schmerzen bei intensiver Belastung unter Ibuprofen und Co. genauso stark ausfielen wie ohne Schmerzmittel“.
Nur wenige mit euphorisierender Wirkung sind im Wettkampf nicht erlaubt. Und dennoch besteht ein direkter Bezug zur Manipulationskultur. Wer den Schmerz, das Alarmsignal, diesen Schutzreflex ignoriert, wird mitunter als heldenhaft herausgehoben. Den Preis zahlen die meisten Eintagsheroen viel später, meist so einsam wie vergessen.
Ihre gespielte Indolenz ist das Ergebnis von „leistungsermöglichenden“ Schmerzmitteln, wie der Nürnberger Pharmakologe Prof. Sörgel Ibuprofen, Diclofenac oder auch Aspirin einschätzt. Da läuft man wieder rund für eine gewisse Zeit. Das ist der „Vorteil“ zu den vergleichsweise teuren Nahrungsergänzungsmitteln, die sogar mit der Aussicht auf Leistungssteigerungen in Broschüren des organisierten Sports beworben wurden.
Sie produzieren auf dem schnellsten Weg teuren Urin, während Schmerzmittel den Weg frei machen – „für wenig Geld, aber auch weniger Niere danach“ (Sörgel). Es kann auch das Herz treffen. Dagegen hilft kein Verbot, nur der Appell ans Hirn von Sportlern, Trainern und Funktionären, die Ursache dieses weitverbreiteten Missbrauchs zu bekämpfen: ein mangelhaftes Selbstbewusstsein.