Doping-Verdacht : Fußballbranche will nichts gewusst haben
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Bundestrainer Joachim Löw Bild: dpa
Der Dopingbericht aus Freiburg hat für große Aufregung in der Fußballbranche gesorgt. Etliche frühere Fußballer wehren sich. Bundestrainer Löw habe Doping immer abgelehnt.
Mit kollektiven Unschulds-Beteuerungen hat die Fußballbranche auf den brisanten Dopingbericht und die Forderungen nach schneller Aufklärung der jahrzehntealten Vorgänge reagiert. Nachdem erstmals der deutsche Fußball mit systematischem Doping in Verbindung gebracht wurde, meldete sich auch Bundestrainer Joachim Löw zu Wort. „Doping hat im Sport nichts verloren, ich lehne es absolut ab, das galt für mich als Spieler genauso wie es heute als Bundestrainer immer noch gilt“, sagte Löw am Dienstag.
Zuvor waren ausgerechnet Löws frühere Klubs VfB Stuttgart und SC Freiburg durch die Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin genauso wie der skandalerprobte Bund Deutscher Radfahrer schwer belastet worden. Umfangreiche Dopingpraktiken mit anabolen Steroiden soll es unter Anleitung des Sportmediziners Armin Klümper gegeben haben. Doping-Anschuldigungen, die der frühere Nationaltorhüter Harald Schumacher in ähnlicher Form 1987 schon in seinem Buch „Anpfiff“ niedergeschrieben hatte und dafür mit dem Ausschluss dem Verein abgestraft worden war. Fast 30 Jahre später erscheinen seine Aussagen in einem anderen Licht.
Die Experten fordern eine Aufklärung des Falls. Der renommierte Experte Fritz Sörgel setzt den Deutschen Fußball-Bund (DFB) unter Druck. Nach Ansicht des Mitglieds der Untersuchungskommission muss der DFB aktiv zur Aufklärung der Doping-Vorwürfe beitragen. „Es ist ein Volkssport, der wichtigste Sport in Deutschland, und da kann man sich nicht erlauben, dass etwas ungeklärt bleibt“, sagte der Nürnberger Pharmakologe im ZDF-Morgenmagazin. Der DFB hatte zuvor seinen Aufklärungswillen beteuert.
Der DFB werde darüber nachdenken müssen, ob die „Narrenfreiheit“, die der Fußball nun mal habe, weiter gelten könne, und der Verband „in Zukunft nicht eine Schippe drauflegen muss, damit er glaubwürdig wird“, sagte Sörgel. Zweifel äußerte er daran, dass die Ethikkommission des DFB, in der Leute sitzen würden, „die jetzt nicht unbedingt als unabhängig angesehen werden können“, das geeignete Gremium für die Aufklärung sei.
Geht es nach den Stuttgarter Protagonisten von einst, gibt es nicht viel aufzuklären. Zahlreiche Akteure wie die früheren Nationalspieler Karlheinz Förster, Helmut Roleder und Karl Allgöwer oder der frühere Trainer Jürgen Sundermann wiesen die Dopingvorwürfe zurück. Auch der damalige Stuttgarter Vereinsarzt Winfried Laschner und der frühere Physiotherapeut François Caneri beteuerten, dass es keine Vergehen gegeben habe.
„Dass Anabolika-Mittel wie Megagrisevit von Klümper zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wurden, kann ich nicht ausschließen, ich habe davon aber nichts gewusst. Ich weiß nicht, was Klümper bei jedem einzelnen Patienten in seinen Spritzen hatte. Ich kann aber ausschließen, dass Mittel zur Leistungssteigerung eingesetzt wurden“, sagte Laschner den Stuttgarter Nachrichten (Mittwoch). Caneri versicherte dem Blatt: „Ich selbst habe mit den Spielern die Medikamente in der Apotheke eingekauft. Ich weiß, was in den Tüten war.“ Caneri, der von 1976 bis 1982 beim VfB angestellt war und Spieler in Klümpers frühere Praxis in Freiburg begleitete, sagte zudem: „Doping hat es beim VfB nicht gegeben - das hätte ich gewusst.“
Kommissionsmitglied Andreas Singler beschrieb indes angebliche Doping-Praktiken beim VfB Stuttgart. Singler beschuldigte in der „Bild“-Zeitung den früheren Freiburger Sportmediziner Armin Klümper, bei dem damals auch Spieler des Fußball-Bundesligisten behandelt wurden. FAZ.NET berichtete bereits 2013 über Klümpers offensiven Umgang mit Doping-Mitteln.
„Klümper schickte die Präparate an den Masseur oder ließ sie dorthin schicken. Beim VfB bezahlte der Verein die Rechnung“, wird Singler zitiert. „Beim VfB wurde das Anabolika-Mittel auch mindestens in einem Fall nachbestellt. Damit ist bewiesen: Es gab Anabolika im deutschen Fußball.“
„Vorsicht vor Verdächtigungen“
Pharmakologe Sörgel mahnte, mit Verdächtigungen über möglicherweise - auch aktuelle - Doping-Praktiken im Fußball vorsichtig zu sein. „Man muss fairerweise sagen, dass im Fußball - und es werden in einigermaßen vernünftiger Weise nun auch Dopingtests durchgeführt - keine spektakulären Fälle aufgetreten sind“, sagte Sörgel. „Deshalb muss man mit Verdächtigungen vorsichtig sein.“
Die Vergangenheit sei ein ganz anderes Kapitel. „Früher war das Unrechtsbewusstsein, was Doping angeht, ein ganz anderes gewesen“, meinte er. Bekannt sei, dass in früheren Jahrzehnten die Einnahme des stimulierenden Captagons „eine ganz große Rolle“ gespielt habe. „Die Fußballer haben auch kräftig experimentiert“, erläuterte Sörgel. „Das war über drei, vier Jahrzehnte einfach etwas, was nebenher lief, was die Fußballer gerne angewendet haben, um am nächsten Sonntag wieder spielen zu können.“