Dopingopfer Reichhelm : „Ich war ein Versuchskaninchen“
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Dopingopfer Cornelia Reichhelm: „Körperlich ein Wrack, seelisch ...“ Bild: PICASA
Cornelia Reichhelm war ein vom Rudern begeistertes Kind, als sie vom Leistungssport der DDR ausgewählt wurde. Sie sollte Medaillen gewinnen und wurde ohne ihr Wissen ins geheime Staats-Doping-Programm aufgenommen. Heute quälen sie die Folgen.
Sie schreiben in Ihrem Buch „Doping-Kinder des Kalten Krieges“, Trainer, Ärzte, Funktionäre waren Diebe. Warum?
Weil sie mir meine Gesundheit gestohlen haben. Sie haben mein Vertrauen missbraucht, mich betrogen, sie haben mir mein Vertrauen gestohlen. Sie haben sich bedient an den Forschungsdaten, die ich ihnen geliefert habe, sie haben sich an meinem Körper bedient und an meiner Seele. Das tut sehr weh. Ich war nicht einverstanden damit, ich habe ihnen das nicht freiwillig gegeben.
Sie wurden mit 13 Jahren ausgewählt und zur Kinder- und Jugend-Sportschule Dynamo Ost-Berlin delegiert. Was fühlten Sie damals?
Ich war stolz, sehr stolz. Im Heimatort gab es Anerkennung. Das war etwas Besonderes, und ich freute mich sehr darauf.
Warum?
Ich war begeistert vom Sport. Rudern war zwar meine Sportart, das fand ich toll, aber ich hätte auch im Skilanglauf aufgehen können oder im Schwimmen. Sport nach Herzenslust an der frischen Luft, das war das Schönste für mich.
Wann kippte das Gefühl?
Das war ein Entwicklungsprozess, es gab einen ganz tiefen Punkt, als ich das erste Mal um die Teilnahme an den Junioren-Weltmeisterschaften betrogen wurde. Ich war im Finale der DDR-Meisterschaften bei den Junioren 1980, was bedeutete, dass ich mich wenigstens für das Rennen mit dem Achter qualifiziert hatte. Aber mein Trainer sagte mir, ich sei noch zu jung, obwohl ich doch der Juniorenklasse angehörte. Ich fühlte mich betrogen und fragte mich erstmals, warum ich so hart trainiere.
Was haben Sie gemacht?
Ich habe dem Trainer gesagt, dass ich aufhören will. Aber er sagte mir, das ginge nicht, ich sei es dem Staat schuldig, der habe so viel in mich investiert. Mich überzeugte das nicht, er hatte mich doch betrogen. Dann sagte er, ich dürfte meine Zweierpartnerin nicht im Stich lassen. Das zog. Und ich sah auch die Chance, mich im Jahr drauf noch mal zu qualifizieren. Er versprach dann eine sichere Nominierung für die Junioren-WM, falls wir bei der Qualifikation eine Medaille gewinnen würden.
Das war der zweite Betrug?
Ja. Wir gewannen Bronze, aber ich wurde wieder nicht nominiert. Ich habe mir jahrelang die Frage gestellt, warum ich nicht mitfahren durfte, ich hatte meine Leistung kontinuierlich gebracht, ich war nicht renitent, eher schüchtern. Die Antwort habe ich erst 2013 erfahren, aus einem Stasi-Dokument. Da steht drin, dass zu der Zeit die Nachweisverfahren für Doping-Mittel im Ausland verfeinert wurden und man nun aufpassen müsse.
Damals hat die Sportführung vor Reisen vor allem zum Klassenfeind Ausreisekontrollen machen lassen im sogenannten Anti-Doping-Labor von Kreischa bei Dresden. Wer noch positiv war, musste daheim bleiben. Wissen Sie, dass Sie jeweils noch positiv waren?
Ich muss davon ausgehen. Ich glaube, dass ich Depot-Turinabol (ein Anabolikum, d. Red.) intus hatte. Zumindest wurde im Rudersport so gearbeitet, wie man den Stasi-Dokumenten entnehmen kann. Und plötzlich hatten die Ärzte Sorgen, dass die Nachweiszeit wegen der verbesserten Analysetechnik länger war als gedacht. Es kann also keinen anderen Grund gegeben haben, denn ich hatte ja alle Bedingungen erfüllt.
Wann sind Sie zum ersten Mal gedopt worden?
Das muss 1976 gewesen sein. Ich habe zwar kaum Belege, aber aus Stasi-Akten geht hervor, dass ich in diesem Jahr sieben Mal pro Monat Testosteron (das männliche Sexualhormon, d.Red.) bekam, im nächsten Jahr 24 Mal pro Monat.
Da waren Sie 13 Jahre alt.
Ja, ich war ein Kind. Auch dazu gibt es ein Stasi-Dokument. Daraus geht hervor, dass der Mediziner Dr. Kurt Frank klipp und klar sagte, wie gefährlich das ist für Kinder, dass es zu irreversiblen Schäden kommen kann, zu Leber- und Nierenschäden und dass es doch mit den Zielen des Sozialismus, alles zum Wohle des Menschen zu tun, unvereinbar sei. Es kann sich also niemand rausreden. Sie haben es gewusst. Und sie haben es trotzdem getan. Die Sportführung hat gesagt, dass Opfer gebracht werden müssten. Der „Staatsplan 14.25“, das staatlich angeordnete, geheime Doping, wurde gnadenlos durchgesetzt. So haben sie die Kinder verheizt. Die Leute, die das durchgesetzt haben, brachten keine Opfer, das waren die Schwächsten, nämlich die Kinder. Ich fasse das immer noch nicht, wie kann man das mit Kindern machen? Die wussten doch, dass Anabolika große Nebenwirkungen haben.
Die Vergabe von Testosteron hat entsetzliche Nebenwirkungen vor allem bei Mädchen. Haben Sie etwas gespürt?
Ich war ja in der Entwicklung, ich hatte keine Vergleiche, wie sollte ich das feststellen? Und dann habe ich jeden Tag trainiert, ich erwartete also eine gewisse Veränderung, Muskelwachstum.
Welchen Umfang hatte Ihr Trainingsprogramm?
Wir haben mit drei Stunden Training ohne Pause begonnen. Das wurde schnell gesteigert auf bis zu sechs Stunden pro Tag, wir trainierten vormittags und nachmittags, im Wechsel mit der Schule.
Sie haben von Anfang an Vitamintabletten erhalten . . .
. . . wenn es denn welche waren, vermutlich waren welche dabei. Das erschien mir plausibel. Wir waren ja viel draußen, bei Wind und Wetter und haben hart trainiert. Dann bekamen wir, ganz am Anfang in der KJS, ich war noch 13 Jahre alt, die Pille. Wir waren stolz, wir wurden als Frau anerkannt. Wir erschienen ja körperlich schon älter, weil wir relativ groß waren. Nur innen drin waren wir doch noch klein, Kinder halt.
Die Anti-Baby-Pille, so schrieb ein DDR-Sportarzt, sollte vor allem verhindern, dass Athletinnen unter Anabolika schwanger wurden. Man hatte Angst vor Missbildungen . . .
und mir wurde gesagt, ich sollte die Pille so nehmen, dass ich während der Regatten meine Regel hätte, während der Periode sei ein Mädchen leistungsfähiger. Im Nachhinein glaube ich, dass die Vergabe von Vitamintabletten uns auf die ständige Einnahme von Pillen vorbereiten sollte, wir sollten daran gewöhnt und die ganze Sache verharmlost werden. Schon während des Sports habe ich heimlich die Pille abgesetzt. Heute nehme ich keine Medikamente. Da ist eine Blockade in mir, ich kann das nicht. Das Einzige, was ich nehme, sind Schmerzmittel, wenn es gar nicht mehr geht.
Wieso vertrauten Sie letztlich wildfremden Menschen? Ich wurde systematisch von zu Hause entfremdet. Ich war doch mit 13 allein in Berlin, also von allem dort abhängig, von der Verpflegung, von der Unterkunft und eben von den Trainern. Und wir wurden dazu verdonnert, nichts über das Training und die Verpflegung zuhause zu erzählen. Jeder Mensch braucht aber ein soziales Umfeld. Das existierte nicht zwischen den Athleten, jedenfalls nicht in meinem Fall, wir waren letztlich alles Konkurrentinnen. Also hatte ich eigentlich nur den Trainer als Vertrauensperson. Ich hatte das Gefühl, er passt auf uns, auf mich auf.
Um was zu erreichen?
Zunächst unsere Leistungsziele, aber auch, dass ich mich nicht überbelaste, dass das Training auf mich optimal abgestimmt ist. Ich hatte ein absolutes Vertrauen, auch was meine Gesundheit betraf. Wir wurden ständig zum Arzt geschickt, alles wurde kontrolliert, Blut, Urin. Wir haben, als das Training härter und härter wurde, schon Fragen gestellt, warum das alles sein muss, warum wir die Pillen bekamen. Zur Antwort gab es dann: „Weil wir verhindern wollen, das euch was passiert. Ihr könnt uns vertrauen.“ Ich habe es getan.
Obwohl Sie schon nach wenigen Jahren Schmerzen in der Lendenwirbelsäule spürten, die immer stärker wurden?
Ich wurde ja behandelt, ich bekam Spritzen und Physiotherapie. Man sagte mir, es seien Verspannungen, nur was Muskuläres. Es ging dann ja auch wieder, ich konnte mein Programm durchziehen.
Das war eine Lüge?
Davon muss ich ausgehen. Denn ich habe durch meine Recherchen 2003 erfahren, dass ich schon mit 17 Bandscheibenvorfälle hatte. Das geht sogar aus einem Arztbericht hervor, von wegen etwas Muskuläres. Ich hatte extreme Überbelastungen auszuhalten im Training. Und diese Belastungen waren nur mit Doping-Mitteln möglich. Die lassen ja nicht die Muskeln über Nacht wachsen, sie reduzieren die Regenerationszeit, also konnte man mehr und härter trainieren. Deshalb habe ich eine degenerative Wirbelsäulenverletzung erlitten. Wegen der Schmerzen wollte ich damals aufhören, aber ich durfte nicht. Also habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, was dahinter steckte.
Haben Sie eine Antwort?
Wenn Ärzte und Trainer wissen, dass eine Rudererin schon Bandscheibenvorfälle hatte, dann ist es ein großes Risiko, sie zu internationalen Regatten oder gar zu Olympischen Spielen zu schicken. Also kann ich ab Sommer 1980, im Juli ist die Diagnose gestellt worden, gar nicht mehr für diese Ziele vorgesehen gewesen sein. Ich war noch gut genug, Startplätze in der Nationalmannschaft für unsere Trainingsgruppe herauszufahren. Aber vermutlich wollten sie vor allem ihren Langzeitversuch retten, herauskriegen, was mit Doping geht. Aus Treffberichten der Stasi geht hervor, dass es Versuche an Kindern gab, mein Cheftrainer Günther Schniebel war Mitgründer der Forschungsgruppe ,Erhöhte Leistungsreserven‘. Inzwischen liegen mir Stasi-Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass speziell im Rudern die androgyne Wirkung der Pille an jungen Mädchen getestet wurde. All das führt mich zu einer einzigen Schlussfolgerung: Ich war ein Versuchskaninchen.
An Ihrem 18. Geburtstag hat man Ihnen im Kreise von einigen Trainern ein unbezeichnetes Röhrchen mit Tabletten in die Hand gedrückt.
Das war eine böse Auseinandersetzung mit dem Cheftrainer, der Frauen-Trainerin im Skull und meinem Trainer Ahrendt, ich wurde von vielen Leuten in dieser Versammlung unter Druck gesetzt. Ahrendt sagte mir, dass es sich um Anabolika handele, dass ich die nehmen und Geheimhaltung per Unterschrift garantieren müsse. Ohne die Dinger könne man international nicht erfolgreich sein. Das war schon perfide. Ich wusste damals nicht, dass Anabolika Doping-Mittel sind. Kinder kann man ja nicht unterschreiben lassen, dass sie Doping-Mittel nehmen. Denen und ihren Eltern wurde die Legende „Vitaminpillen“ aufgetischt. Bei Erwachsenen ist das anders, die kapieren das ja auch irgendwann. Und sobald ein Erwachsener einmal die Geheimhaltungsverpflichtung unterschrieben hatte, war er gefangen im System.
Wird Ihnen heute vorgeworfen, dass Sie es gewollt hatten?
Ja, diese Erfahrung habe ich gemacht. Man wird als Nestbeschmutzer hingestellt, als Lügner, auch Freunde sagen schon mal: ,Ihr habt es doch gewusst, und jetzt wollt ihr auch noch eine Rente haben.‘ Ich habe die Nase voll davon, mir so etwas von Leuten anzuhören, die überhaupt keine Ahnung davon haben, was da lief und warum es so lief. Ich bin nicht selbst schuld daran. Und auch die Eltern von gedopten Kindern sind nicht daran schuld. Es ist so schwer, darüber in der Familie zu sprechen, weil dort auch Schuldgefühle auftauchen. Nein! Die Eltern konnten nicht besser aufpassen. Sie wussten es nicht, das war doch alles geheim. Man hat meiner Mutter nicht mal gesagt, dass ich einmal mehrere Tage im Krankenhaus lag, kein Wort. Im Erwachsenenalter haben die Athleten überwiegend gewusst, dass sie „unterstützende Mittel“ bekommen sollten oder bekamen, aber sie wurden doch nicht über die Nebenwirkungen aufgeklärt. Also sind sie auch Opfer.
Wie haben Sie auf die Aufforderung reagiert?
Ich habe ihnen gesagt, dass ich gesund sei, abgesehen von den „Muskelverspannungen“, dass ich das nicht brauchte. Sie haben mich dann rausgeschickt. Ich musste nur unterschreiben, über das Gespräch kein Wort an Dritte zu verlieren. Einen Tag später habe ich dann meinem Trainer gesagt, dass ich nun gar nichts mehr nehmen wolle, auch den Eiweißtrunk nicht mehr, den ich in Zyklen über Jahre bekommen habe und auf den man so stolz war am Anfang, weil es als Auszeichnung galt, so verpflegt zu werden.
Wie hat der Trainer reagiert?
Er hat es akzeptiert unter einer Bedingung. Ich müsste jetzt pro Tag eine Tafel Schokolade essen, ich müsse zunehmen angesichts von 68 Kilogramm bei einer Länge von 1,80 Metern, das war wenig im Vergleich zu den anderen Rudererinnen. Das sah ich ein. Dann habe ich jeden Tag eine Tafel bekommen, und er kontrollierte anfangs, ob ich die auch esse. Ich habe es getan, bis zum Ende meiner Laufbahn.
Schokolade statt Pillen, das ist ein guter Tausch . . .
. . . dachte ich auch. Inzwischen weiß ich, dass es einen Volkseigenen Betrieb gab, eine Süßwarenfabrik in Görlitz, die Süßwaren mit Doping-Mitteln versetzt hatte.
Sie haben auch als Erwachsene Doping-Mittel ohne Ihre Kenntnis erhalten?
Davon muss ich ausgehen. Zumindest nahmen meine Kraftwerte dort zu, wo ich eine Schwäche hatte. Das alles passt überhaupt nicht zu dem, was ich wollte. Für mich stand der Sport immer im Vordergrund. Ich wollte einen fairen Sport. Jetzt frage ich mich, ob meine Spitzenleistungen von Anfang an in der Trainingsgruppe mit Doping zusammenhingen, jedes Training war ja wie ein kleiner Wettkampf. Ich wollte den Sportbetrug nie. Ich wollte meine persönlichen Grenzen kennenlernen, mich austesten, meine eigene Persönlichkeit erkennen, entwickeln. Das haben sie mir gestohlen. Und meine Gesundheit dazu.
Sie sind schwer verletzt?
Ja. Ich bin körperlich ein Wrack, seelisch . . .
Es gibt sehr erfolgreiche Spitzensportler, die nichts von Doping und Manipulation wissen wollen. Das muss Sie zusätzlich schmerzen.
Ich bin nicht böse, wenn sich Weltmeister und Olympiasieger hinstellen und behaupten, sie seien nicht gedopt worden. Die Differenzierung fällt den Menschen sehr schwer. Aber ich lasse es nicht zu, dass man uns nachsagt, wir hätten alles gewusst und gewollt. Das hat es sicher gegeben, aber es war nicht die Regel, das weiß ich allein schon aus meiner Trainingsgruppe. Wir waren Kinder, die nur Sport treiben wollten und nichts wussten. Doping? Das gab es doch nur im bösen Westen. Und wenn bei uns jemand aufgehört hatte, dann war es uns strengstens verboten, Kontakt zu halten. Wir hätten ja erfahren können, wie schön das Leben außerhalb des Sports sein kann, mal in die Disko zu gehen.
Sie haben in Ihrem Tagebuch an der KJS, viele Jahre bevor Sie vom Doping-Einsatz bei Ihnen wussten, geschrieben, dass Sie Ihre Kinder niemals in den Leistungssport schicken würden.
Ja. Ich hätte ein Rezept, wie man Kinder-Doping und Manipulation weitgehend vorbeugen könnte.
Und das wäre?
Minderjährige nicht auf die Eliteschulen zu schicken, sie nicht Abhängigkeitsverhältnissen auszusetzen oder sie da hineinrutschen zu lassen.
Der organisierte Sport betrachtet sich als wertvollen und wenigstens stabilisierenden Teil einer Gesellschaft, in der die Würde des Menschen als unantastbar gilt.
Es sind Trainer und Funktionäre nach dem Mauerfall übernommen worden, die noch heute im Spitzensport wirken. Was soll sich also geändert haben an der Grundeinstellung? Und wozu gibt es die Eliteschulen des Sports?
Damit das Talent eines jungen Menschen ausreichend gefördert werden kann. An herkömmlichen Schulen gibt es ja nicht mal drei Sportstunden in der Woche.
Warum sollten Eltern ihre Kinder einem System anvertrauen, das sich nicht wirklich distanziert hat von den Trainingsmethoden vergangener Zeiten, sonst wären ja wohl kaum ehemalige Trainer und Funktionäre übernommen worden. Ein dreizehnjähriges Kind stellt auch heute in der Regel nichts in Frage, Internet hin oder her. Wenn der Schutz des Kindes im Vordergrund steht, dann brauchen wir keine Eliteschulen.
Sie sollen die Basis sein für die Entwicklung zum Olympiasieger.
Dann haben wir eben weniger Weltmeister und Olympiasieger, davon geht doch die Welt nicht unter. Dafür haben wir aber einen etwas humaneren, sauberen Leistungssport. Gesund ist der ohnehin nicht, das ist eine Verschleierung. Aber mir ist schon klar, dass viel zu viel am System hängt.
Sie haben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben, um auf die Lage von Doping-Opfern aufmerksam zu machen. Was hat man Ihnen geantwortet?
Nichts. Ich habe nicht mal eine Eingangsbestätigung erhalten.
Sie kämpfen um eine Rente. Wie sind Ihre Aussichten?
Es wird noch ein langer Kampf sein, das weiß ich. Die Behörden brauchen manchmal Monate, wenn nicht ein Jahr, bis Stellungnahmen kommen. Aber ich bin zuversichtlich. Und obwohl ich meinen Beruf und vieles andere verloren habe, glaube ich, viel weiter zu sein als viele andere Doping-Opfer. Vor drei Wochen hatten wir die Mitgliederversammlung des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins. Da kamen Doping-Opfer, die erst jetzt verstehen, welche Zusammenhänge es gibt, die jetzt erst verstehen, was die Ursache von all dem Leiden sein kann oder in den meisten Fällen auch ist. Die haben keine Unterlagen, die vermuten, die stochern im Dunkeln, die stehen bei null. Die Politik muss endlich grundsätzlich feststellen, dass allen Doping-Opfern, dass den Kindern, die im DDR-Leistungssport eingesetzt wurden, die Doping-Mittel bekamen und heute die Folgen, die Schäden und die Schmerzen, geholfen werden muss. Wenn das nicht passiert, dann fallen die hinten runter. Die Liste der ehemaligen Athleten, die viel zu früh sterben, wird länger und länger.
Das Gespräch führte Anno Hecker.