Operation Aderlass : Slowenischer Radsport im Visier
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Muss sich skeptische Blicke gefallen lassen: Primoz Roglic Bild: AFP
Die Verwicklungen des slowenischen Radsports in die Ermittlungen zur Operation Aderlass werden immer offensichtlicher. Beim Giro d’Italia treffen auch Primoz Roglic skeptische Blicke.
Primoz Roglic ist eigentlich kaum aus der Ruhe zu bringen, doch die Doping-Schlagzeilen aus seinem Heimatland nerven ihn ziemlich. „Es ist Mist, dass solche Sachen passieren, das ist schlecht für den slowenischen Radsport“, sagte der Top-Favorit des 102. Giro d'Italia, der genau weiß, dass die Vorgänge rund um sein Heimatland auch seine Reputation gefährden. Roglic selbst beteuert: „Ich kann in den Spiegel schauen, so wie die neue Fahrergeneration. Wir sind ein gutes Vorbild.“
Der ehemalige Profi Stef Clement, einst Mannschaftskollege Roglics beim niederländischen Team Jumbo-Visma und nun dort im Betreuerstab tätig, klingt fast verwundert, dass noch keine Verdächtigungen geäußert worden sind. „Wenn dieser Junge bei Emirates, Katusha oder Astana fahren würde, hätten wir in den Niederlanden alle andere Gedanken. Er macht riesige Schritte“, sagte Clement beim Hörfunksender NPO Radio 1.
Clements Kommentar erfolgte, noch bevor die nächste Skandalstufe rund um den slowenischen Radsport erreicht wurde. Die Quelle all der schmutzigen Enthüllungen findet sich in den Ermittlungen zur spektakulären Operation Aderlass, der im nordischen Skisport entflammten Dopingaffäre um den Erfurter Mediziner Mark S., die zwei Slowenen (Borut Bozic, Kristijan Koren/beide Bahrain-Merida) und einen Kroaten (Kristijan Durasek/UAE Team Emirates) ins Zwielicht rückte.
Nun ist offenkundig auch der umtriebige Milan Erzen in den Fokus der Dopingjäger geraten. Er gilt als Strippenzieher im slowenischen Radsport und zentrale Figur im Management des Teams Bahrain-Merida um Giro-Sieganwärter Vincenzo Nibali – mit besten Verbindungen zum mächtigen Prinz Nasser bin Hamad al-Khalifa aus Bahrain. Die Mannschaft hat bis hin zum Betreuerstab eine starke slowenische Prägung.
Wie das Onlineportal cyclingnews berichtete, habe der Radsportweltverband UCI seit 2015 schon ein besonders genaues Auge auf das kleine Land zwischen Österreich und Italien sowie das angrenzende Kroatien. Es gebe eine „strenge Beobachtung. Ich hoffe, die nationalen Anti-Doping-Agenturen helfen uns und investieren mehr Geld und Ressourcen“, sagte UCI-Präsident David Lappartient der Gazzetta dello Sport bei einem Giro-Überraschungsbesuch am vergangenen Wochenende. Es soll dabei auch ein Treffen mit dem Management von Bahrain-Merida gegeben haben – in Abwesenheit Erzens.
Erzen ließ cyclingnews ausrichten, jegliche Berichte über eine Verwicklung seiner Person in die Aderlass-Affäre seien völlig falsch und unbegründet. Die Tageszeitungen Le Monde und Corriere della Serra schrieben freilich, dass er sich bei Mark S. über einen Mittelsmann nach einer Blutzentrifuge erkundigt habe - zu welchem Zweck ist unbekannt. Erinnert sei zudem daran, dass der ehemalige deutsche Radprofi Danilo Hondo bei seiner Beichte darauf verwies, dass Mark S. ihn von einer slowenischen oder kroatischen Mobilfunknummer aus kontaktiert habe.
Was hat das mit Roglic zu tun? Der Überflieger hatte einst – wenn auch quasi zwangsläufig – ebenfalls Kontakt zu Erzen. Manche bezeichnen Erzen gar als Entdecker Roglics, weil er den ehemaligen Skispringer im Jahr 2013 zur Mannschaft Adria Mobil geholt und dort ausgebildet hatte. Eine Vielzahl slowenischer Radsportler mit Profipotenzial ging den Weg über dieses kleine Team. Das muss nichts, kann aber durchaus etwas bedeuten. Klar ist jedenfalls: Um das slowenische Radsport-Märchen der jüngeren Vergangenheit ranken sich brisante Fragen.