Doping-Bekämpfung : Der Bundesrat attackiert
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„Der Koalitionsvertrag zeigt, dass der große Wurf im Bereich des Möglichen liegt“ Bild: REUTERS
Nun ziehen auch die Länder bei der Doping-Bekämpfung an der Sportführung in Deutschland vorbei. Sie sind für die Strafverfolgung gedopter Athleten. Der DOSB aber bremst weiter.
Auch die Länder ziehen bei der Doping-Bekämpfung an der Sportführung in Deutschland vorbei. „Der Koalitionsvertrag zeigt, dass der große Wurf im Bereich des Möglichen liegt“, rief am Freitag der Justizminister Bayerns, Winfried Bausback, im Bundesrat. Er spielte auf die Vereinbarung von Union und SPD an, ein Gesetz zu schaffen, das Doping unter Strafe stellt. „Nehmen wir die Dynamik der Verhandlungen mit!“, forderte der CSU-Politiker: „Wir wollen uns nicht mit kleinen Schritten zufriedengeben, wir wollen den ganzen Weg gehen.“
Der Bundesrat beschloss, den Gesetzentwurf von Baden-Württemberg „zur Verbesserung der strafrechtlichen Doping-Bekämpfung“ in den Bundestag einzubringen. Dieser stellt auf den Tatbestand des Betruges ab und gilt allein für Berufssportler und ihr Umfeld. Justizminister Rainer Stickelberger machte sich in seiner Rede auch zum Anwalt der Athleten: „Die Prämie ist bei denen, die beschissen haben“, zitierte er die Kugelstoßerin Nadine Kleinert, „und die Medaille kommt per Post.“
Die Studie der Humboldt-Universität Berlin zu Doping in der alten Bundesrepublik Deutschland habe im Sport zu einem Umdenken geführt, behauptete er. Dabei klagen Experten seit Jahren über die Chancenlosigkeit, allein mit Kontrollen in die Doping-Systeme des Spitzensports einzudringen. „Wir kommen da nicht rein“, sagte ein auf dem Gebiet erfahrener Staatsanwalt mit Blick auf die Gesetzeslage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Trotzdem haben auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor einem Jahr in Stuttgart 95 Prozent eine Strafverfolgung gedopter Athleten abgelehnt.
Das sei heute nicht mehr vorstellbar, rief Stickelberger. Er verwies auf das Verfahren gegen den einstigen Radprofi Stefan Schumacher, der Doping zugegeben hat, vom Vorwurf des Betruges aber freigesprochen worden ist, und sagte: „Wer glaubt, geltendes Recht reicht, wurde eines Besseren belehrt.“ Der Gesetzentwurf Baden-Württembergs erfasse den Sportler als Zentralfigur des Dopings. Stickelberger räumte ein, dass das Gesetz ein moderater Mittelweg sei; er erwarte Modifikationen bei der Gesetzgebung durch den Bundestag.
Doping im Training wäre nicht strafbar
Tatsächlich wollen bei der Mitgliederversammlung des DOSB in einer Woche in Wiesbaden die Verbände für Leichtathletik und Tischtennis eine Resolution einbringen, die vom Deutschen Bundestag eine Doping-Gesetzgebung einfordert. Ihnen reicht die Beschränkung auf Berufsathleten nicht aus, weil groteske Situationen entstehen könnten: Wenn etwa ein gut verdienender Diskuswerfer vom Staatsanwalt gejagt werden könnte, während der Vierte in der Hackordnung zwar wie ein Profi trainiere, aber wegen seiner geringen Einkünfte nicht als solcher unter das Gesetz falle.
Laut Entwurf aus Baden-Württemberg wäre auch Doping im Training nicht strafbar, obwohl gerade in der Vorbereitung auf Wettkämpfe geschluckt und gespritzt wird. Diese Schwäche aber ändert nichts an der Zugkraft. Inzwischen hat sich auch der Präsident des Deutschen Handball-Bundes, der Jurist Bernhard Bauer, dem Antrag angeschlossen. (Siehe Kasten unter dem Text.) Dagegen glaubt das DOSB-Präsidium, kaum etwas ändern zu müssen. Die strafrechtliche Sanktionierung von Doping am eigenen Leib lehnt es ab, die Umetikettierung der bisherigen Vorschriften im Arzneimittelgesetz zum Anti-Doping-Gesetz würde es begrüßen.
Bayern scheiterte mit Anti-Doping-Gesetz
Die Frontlinien des Sports lassen sich auch in der Politik nachziehen. Justizminister Bausback dürfte sich vor seiner leidenschaftlichen Rede beim Direktor des Amtsgerichts Regensburg und Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop, sachkundig gemacht haben. So forderte er in Berlin die uneingeschränkte Strafbarkeit des Besitzes von Doping-Substanzen, den Straftatbestand des Doping-Betruges sowie umfassende Strafvorschriften gegen den Vertrieb und die Abgabe von Doping-Mitteln. Ihm schwebt auch eine Kronzeugenregelung vor.
Bayern scheiterte in der Ära von Justizministerin Merk mit einem Anti-Doping-Gesetz, das im Kern diese Forderungen erfüllte. Bausback macht aus seiner Hoffnung kein Hehl: Er glaubt, der Bundestag werde den Entwurf Baden-Württembergs so verschärfen, dass er dem Bayerns entspreche. Dann hätte die Politik den Sport überrundet. Aber ganz ohne Sportler wäre Berlin nicht in Bewegung geraten. DLV-Chef Prokop, Kritiker der Haltung von DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, findet nicht nur bei Bausback und dessen Vorgängerin Gehör. Auf Seiten der SPD nahm er als Berater an den Koalitionsverhandlungen zum Thema Doping-Gesetzgebung in Berlin teil.
Handball-Chef stützt Opposition
Nach dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und dem Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) hat nun auch der Deutsche Handball-Bund (DHB) Stellung gegen die Führung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) im Anti-Doping-Kampf bezogen: „Ich wünsche mir, dass sich bei allen Beteiligten der Wille durchsetzen wird, Doping konsequent zu bekämpfen. Dies wird allerdings nur dann gelingen, wenn ein Anti-Doping-Gesetz verabschiedet wird, das, entsprechend dem Antrag des DTTB, auf der Grundlage des baden-württembergischen Gesetzentwurfs und des Beschlusses der Justizminister-Konferenz erarbeitet wird. Deshalb stimme ich dem Antrag des DTTB bei der DOSB-Mitgliederversammlung zu“, sagte DHB-Präsident und Jurist Bernhard Bauer: „Richtig ist aber auch, dass der baden-württembergische Entwurf nachgebessert werden muss. Dies gilt vor allem für die Frage des Besitzes und der Definition des Berufssportlers und des berufssportlichen Wettkampfs. Aber diese Fragen kann man in einem Gesetzgebungsverfahren lösen, wenn der Sport sich darin einig ist, dass er sie wirklich lösen will.“ (brei.)