Radsport-Kommentar : Froomes Pedalieren in der Grauzone
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Das Team Sky bringt seine Fahrer aus der Schlusslinie – nun ist Chris Froome an der Reihe. Bild: dpa
Asthma, Husten, Heuschnupfen – wer die Tour de France gewinnen will wie Chris Froome, der braucht ein paar Krankheiten und die Medikamente, sonst wird das nichts. Das ist ziemlich krank, möchte man sagen.
Christopher Froome ist nicht beliebt in seiner Heimat. Die Briten mögen ihn nicht, obwohl er seit Jahren der beste Radrennfahrer der Welt ist. Er ist ihnen zu blass in jeder Hinsicht. Ein Zugereister aus Kenia. Geliebt haben die Briten Froomes charismatischen Vorgänger als Dauersieger beim Team Sky, Bradley Wiggins, den die Queen zum Ritter geschlagen hat. Was Sir Bradley und Froome verbindet, ist dieses ominöse Team Sky, das die Konkurrenz seit Jahren in Grund und Boden fährt, das alljährlich wie eine Lokomotive mit Düsenantrieb durch die Tour de France rast und alles plattmacht, was sich ihr in den Weg stellt. Woher diese Power in Teamstärke kommt, darüber rätseln von Berufs wegen Doping-Jäger ebenso wie Gegner, von denen man annehmen darf, dass nicht alle ohne Zusatztreibstoff unterwegs sind.
Jetzt also ist mal wieder einer bei Sky auffällig geworden: Froome hat sein Asthmaleiden, das er mit so vielen Kollegen teilt, wohl ein bisschen zu sehr ausgereizt. Ob sie ihn nun für ein Jahr aus dem Verkehr ziehen oder ob sie mal wieder ein Adventstürchen öffnen, hinter dem steht: alles noch im Rahmen des Erlaubten? Bislang hat es Sky noch immer geschafft, die Stars aus der Schusslinie zu bringen. Untersuchungen gegen Wiggins und sein Team im Jahr 2012 stellte die britische Anti-Doping-Agentur mangels Beweisen ein, es ging damals um das Steroid Triamcinolon. Ein Missverständnis, erklärte Sky. War doch nur Hustensaft. Wiggins habe nicht gedopt, sondern Husten gehabt, das sei ja nicht strafbar.
Sie sind schon zu bedauern, die Radprofis und die Vorfahrer von Sky im Besonderen. Asthma, Husten, Heuschnupfen – wer die Tour de France gewinnen will, der braucht ein paar Krankheiten und die dazugehörigen Medikamente, sonst wird das nichts. Froome, das nur am Rande, wurde erst zum Superfahrer, nachdem er 2010 die Tropenkrankheit Bilharziose überstanden hatte.
Man darf Folgendes vermuten: Das Team Sky beherrscht nicht nur die großen Rundfahrten nach Belieben, es pedaliert auch am geschicktesten durch die Grauzone des Medikamentenkonsums an der Grenze zum Missbrauch. Die Übergänge sind fließend. Was dem einen Sportler verboten ist, darf der (oder die) andere schlucken und spritzen und inhalieren, wenn er dafür nach dem Anti-Doping-Code eine medizinische Ausnahmegenehmigung beantragt und erhalten hat – für Asthmamittel zum Beispiel, aber auch für Insulin oder das Wachstumshormon. Mit einem gesunden Körper jedenfalls lässt sich die Tour de France oder Ähnliches nicht gewinnen. Das ist ziemlich krank, möchte man sagen.