
Berechnungen eines Mikroökonomen : „Doping lohnt sich – zumindest wirtschaftlich“
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Warum sind Radsportler, wie Sie schreiben, Risikovermeider?
Menschen treffen immer Risikoabwägungen und müssen entscheiden, wie viel sie tragen möchten. Die gesamte Entlohnung der Radsportler hängt von ihrem Erfolg ab. Für sie ist das Risiko gefährlicher als für das Team. Es kann ja schnell andere Sportler verpflichten. Ein Radprofi wird sich bei den Verhandlungen sein Risiko also entlohnen lassen. Die Kosten des Dopings, im Falle einer Entdeckung, werden eine Rolle spielen. Er kalkuliert mit ein, erwischt zu werden, und wird einen entsprechenden Preis für seine Tätigkeit in die Honorarforderung einfließen lassen. Denn im ungünstigsten Fall ist seine Karriere zu Ende.
Was lässt sich aus Ihren Theorien für den Anti-Doping-Kampf ableiten?
Dass das jetzige System Doping reduziert, man könnte es aber weiter reduzieren, wenn man die Kosten, etwa Strafzahlungen erhöht. Es wird aber nicht auf null sinken. Ich bearbeite im Moment die Frage, ob die Bestrafung des Teams eine größere Auswirkung hätte. Das funktioniert aber nur, wenn man die Strafen so hoch setzt, dass ein Team keinen Profit mehr machen kann. Dann aber bräche der Teamsport zusammen.
Wäre das so schlimm? Wenn die Existenz gefährdet ist, dann lässt man eher die Finger vom Doping.
In der Realität ist diese Drohung nicht glaubwürdig. Daher lohnt es sich, nicht nachweisbare Substanzen einzusetzen. Derjenige, der clever dopt, scheint immer einen Schritt voraus.
Was soll der Radsport aus Ihren Modellen lernen?
Dass man versteht, dass nicht nur Athleten, sondern weitere Akteure am Doping beteiligt sind. Dass diskutiert wird, welche Ziele man mit dem Anti-Doping-Kampf erreichen soll und will. Soll man kein Doping wollen? Wäre es wichtig, Doping zu kontrollieren? Wie geht man in der Öffentlichkeit damit um?
Einer Freigabe von Doping würde diese Redaktion nicht zustimmen, eine Kontrolle ist Ärzten gar nicht erlaubt. Aber Sie meinen, die Idealisten müssten aufgeweckt werden?
Man müsste sagen, dass der Doping-Kampf seine Grenzen hat. Auf dieses Problem sollte aufmerksam gemacht werden. Vor allem jugendliche Sportler sind so zu informieren, dass sie eine klare Vorstellung davon haben, was vonstattengeht, wenn sie ihren Traum von einer Profikarriere erfüllen wollen. Ich bin für einen ehrlichen Umgang mit dem Problem.
Wenn Sport nicht von Doping zu befreien ist, dann müsste Eltern doch geraten werden, ihre Kinder nicht in den Spitzensport zu schicken.
Das könnte man daraus ableiten.
Mit dieser Sicht werden Sie viele Teamchefs, Athleten, Sponsoren, die behaupten, sie seien sauber und sie wollten kein Doping, gegen sich aufbringen
Ich beschreibe ja keinen Einzelfall. Ich beschreibe ein allgemeines Verhalten. Ich kann mit meinen Modellen nicht individuelles Verhalten erklären. Nach meinem Modell gibt es gute Gründe für die Annahme, dass es ein systematisches Problem gibt und dass es Teams gibt, die von Doping profitieren und deshalb Doping unterstützen. Daraus lässt sich ableiten, dass beim Anti-Doping-Kampf zu stark auf den Athleten geschaut wird. Der Arzt, der Teammanager im Radsport, sie alle haben ein Interesse an Doping.
Welche Chancen hat der Athlet, diesem Spiel zu entkommen?
Es ist sehr schwierig, das zu ändern. Aber es existiert ja eine Wahlfreiheit des Athleten. Er kann sich eine andere Tätigkeit suchen.
Sie glauben, ein Radrennfahrer, der zehn Jahre auf eine Profikarriere hingearbeitet hat, ohne eine Berufsausbildung machen zu können, hat eine Wahl?
Jeder hat eine Wahl, aber es stimmt, die Ausstiegsoption ist nicht sehr gut.
Ist Ihr Modell übertragbar?
Ich würde es nicht nur auf den professionellen Radsport beziehen. Die Strukturen findet man auch in anderen Sportarten, wenn man danach sucht. Anhand des Ergebnisses können auch allgemeine Aussagen über den gesamten Sport getroffen werden.