Doping-Szene : Sportler in Handschellen?
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Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert, in dem Maße, wie die Dopingfälle den Deutschen näherrückten. Die Nachricht vom Tod Tom Simpsons bei der Tour de France 1967 erschien Zuschauern deutscher Wochenschauen noch wie aus einer anderen Welt. Als 1988 Ben Johnson nach dem Sprint-Finale der Olympischen Spiele von Seoul disqualifiziert wurde, wirkte das schon wie ein Schock.
Als im vergangenen Jahrzehnt zunächst Katrin Krabbe und dann Dieter Baumann, die sportliche Ikone der Einheit und der Asterix des Langstreckenlaufs, unter Dopingverdacht gerieten und gesperrt wurden, war das, als träfe es die Familie. Empörung brach sich Bahn. Muß nicht eine höhere Gewalt den Wettbewerb vor Manipulation und den Zuschauer vor Täuschung schützen? In Frankreich und Italien schreitet die Staatsgewalt ein, etwa mit Razzien bei Tour de France und Giro d'Italia. Der deutschen Polizei sind die Hände gebunden.
Parlamentarische Mehrheit im Bundestag?
Nun allerdings scheint das gesetzliche Verbot von Doping auf dem Weg zu sein. In dieser Woche wird Manfred von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), den Entwurf erhalten, den eine hochkarätige Expertenkommission unter dem Titel „Gesetz zum Schutz des Sports“ erarbeitet hat. In einigen Wochen wird er sie Bundesinnenminister Otto Schily schicken. Hätte sich die Bundesregierung nicht entschieden, vorzeitig Neuwahlen anzusetzen, das Gesetzgebungsverfahren wäre wohl noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen worden. Wer hätte das für möglich gehalten? Ein Gesetz zum Schutz des Sports könnte eine parlamentarische Mehrheit nicht nur im Bundestag, sondern möglicherweise auch im Bundesrat finden.
Unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen und mit dem derzeitigen Kabinett wäre ein solches Vorhaben wahrscheinlich. Schily und seine sozialdemokratische Parteifreundin, die Justizministerin Brigitte Zypries, waren zwar stets dagegen. Von Richthofen, Mitglied der CDU, sagt jetzt noch: „Bis zur Stunde bin ich gegen eine gesetzliche Regelung. Wir haben genug Gesetze.“ Wie das zusammenpaßt? „Es gibt doch Mehrheitsbeschlüsse“, sagt von Richthofen.
„Saubere Sportler schützen“
An die habe sich der Präsident des DSB ebenso zu halten wie die Regierung. Dagmar Freitag, die sportpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der SPD, erscheint es deshalb gut möglich, eine Mehrheit zu finden für ein Gesetz, das „saubere Sportler vor Betrügern und Dopern schützt“. Sie ist zuversichtlich, daß die Kommission entsprechende Vorschläge macht.
Ihr grüner Kollege Winfried Hermann spricht vom „Kulturgut sauberer Sport“. Er hält das 1998 novellierte Arzneimittelgesetz für nicht ausreichend, da es den Konsum von Dopingmitteln nicht sanktioniere und damit den sportlichen Wettbewerb nicht schütze, da Designerdrogen, die keine Medikamente sind, von dem Gesetz nicht berührt seien und Herstellung, Import sowie Export von Dopingmitteln ebenfalls nicht. Er sieht das Risiko eher darin, daß das Gesetz zu eng gefaßt werden könnte und Bereiche außerhalb des Wettkampfsports damit nicht unter Kontrolle gebracht werden könnten.
Deutliche Worte der Union
Auch Politiker der CDU sind mit im Boot. „Ich sehe nicht nur ein Vollzugs-, sondern auch ein Regelungsdefizit“, sagt Thomas Röwekamp, der Senator für Inneres und Sport in Bremen. „Ich würde es sehr begrüßen, wenn es zu einer neuen gesetzlichen Regelung käme.“ So deutlich hat man das von der Union noch nie gehört, und es ist um so bemerkenswerter, als Röwekamp der Sportministerkonferenz (SMK) der Länder vorsitzt. Einheitlich haben die Sportminister begrüßt, daß der DSB die Rechtskommission zum Thema Antidopinggesetz einsetzte. Ebenso einheitlich, erwartet Jurist Röwekamp, soll das Ergebnis ihrer Arbeit aufgenommen werden, wenn die Minister im August in Bremerhaven zusammenkommen.