
IAAF : Der Mitläufer Coe ist der Falsche
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Zeit für den Abgang: Sebastian Coe Bild: dpa
Die Wada konstatiert Komplettversagen des internationalen Leichtathletikverbands IAAF. Und dennoch erhält Sebastian Coe Rückendeckung. Der IAAF-Präsident muss den Weg aber frei machen.
Da veröffentlicht die Sonderkommission der Welt-Anti-Doping-Agentur einen 95 Seiten umfassenden Bericht, und eine wesentliche Aussage lautet: Es sei nicht glaubhaft, dass gewählte hochrangige Offizielle des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) von der Situation, von der die Leichtathletik in Russland beeinflusst wurde, nichts wussten. Trotzdem sagt Richard Pound, kanadisches Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees und Vorsitzender der Sonderkommission, er könne sich keine besseren vorstellen, den Verband zu führen, als eben einer jener gewählten hochrangigen Offiziellen: Sebastian Coe, inzwischen Präsident der IAAF, zuvor seit 2007 deren Vizepräsident, demnächst IOC-Mitglied.
Und Pound ging noch weiter: Einzig Coe wollte er zugestehen, vom Ausmaß des Treibens einer mutmaßlichen Gangsterbande, die Coes Amtsvorgänger Lamine Diack führte, nichts gewusst zu haben. Wie passt das zusammen? Gar nicht. Denn auch Pound war am Donnerstag klipp und klar: Natürlich habe es Vertuschung innerhalb der IAAF gegeben rund um die Erpressung russischer Leichtathleten. Genau das hatte Coe noch am Mittwoch rundheraus bestritten.
Coe ist nicht der richtige Mann, die Leichtathletik zu führen, unabhängig davon, ob und wie viel er wusste vom Treiben der Bande Diack. Denn Coe hat den Standard nicht erfüllt, der an eine Führungspersönlichkeit in einem internationalen Sportverband zu stellen ist. Und zwar weder als IAAF-Vizepräsident, noch in den Monaten seines Wahlkampfs um das Präsidentenamt und während der Wochen nach dessen erfolgreichem Abschluss. Denn Coes Lösung für das Problem ist die alte, längst als Hokuspokus bekannte Medizin: Heilung durch Selbsthilfe, Reform aus dem Verband heraus. Ja, er ist bei weitem nicht der einzige im IAAF-Zirkel, der seine Aufgaben nicht erfüllt hat. Das ist die zentrale Aussage des Reports, daran können auch Pounds lobende Worte auf dem Konferenzpodium in der Münchner Vorstadt nichts ändern: Die IAAF-Führung hat versagt. Komplett.
Und deshalb wäre es auch mit einem Rückzug Coes und den übrig gebliebenen Kollegen der alten Führung nicht getan. Der Leichtathletik würde sofort nur einzig der denkbar radikalste Schritt helfen: Auflösung des Weltverbandes, ein Neustart auf einem weißen Blatt Papier. Aber dazu wird es nicht kommen. Denn die Idee gab es schon einmal, in anderen Zusammenhang: Die Löschung der alten Doping-Rekorde. Auch zu diesem, schon vor mehr als zwanzig Jahren längst überfälligen Schritt ist es nie gekommen, weil sich die Herren der Leichtathletik dagegen gesperrt haben. So ähnlich wird es jetzt wieder laufen. Und das Ergebnis wird das gleiche sein: Das Vertrauen ist weg. Es wird auf lange Sicht nicht wiederkommen. Das kann sich die Leichtathletik nicht leisten. Sie kämpft um ihr Überleben.