Ärger bei anderen Sportlern : „Verkauft an den Fußball – das ist pervers“
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„Wir befinden uns in einer Phase, in der alle zusammenhalten sollten“: Speerwerfer Johannes Vetter Bild: Reuters
Die Kanzlerin und die Minister beschließen wohl, dass der Fußball in der Bundesliga bald wieder gespielt werden darf. Die Sonderrolle ärgert viele Athleten aus anderen Sportarten. Nur wenige zeigen Verständnis.
Einige deutsche Spitzenathleten haben eine Sonderrolle des Profifußballs bei der geplanten Wiederaufnahme des Spielbetriebs angeprangert. Sollte die Politik am Mittwoch wie erwartet grünes Licht für Bundesligaspiele ab Mitte Mai geben, „dann verkauft der Staat die Gesundheit des Volkes und des leidenden Menschen an den Fußball. Das ist pervers“, sagte Weltklasse-Speerwerfer Johannes Vetter der „Sächsischen Zeitung“.
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JETZT F+ LESENAuch die frühere Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz sieht eine Ungleichbehandlung zwischen Fußballern und anderen Athleten. „Ich finde es nicht schön, dass der Fußball eine Sonderrolle einnimmt und sich über alles hinwegsetzt, nur weil die Reibung zwischen dem Daumen und Zeigefinger stimmt“, sagte Schwanitz.
Karl Schulze, zweimaliger Ruder-Olympiasieger und Fan des Zweitligavereins Dynamo Dresden, sieht die Geisterspiele als klaren Beleg für die Entfremdung des Profifußballs vom normalen Sportfan: „Dass es der Fußball nicht einmal mehr nötig hat, vor Fans zu spielen, zeigt, in welcher dekadenten Welt die leben.“ Wassersprung-Europameisterin Tina Punzel hält es für „bedenklich“, wenn für einen Bundesliga-Neustart „Tausende Tests gekauft werden müssen“.
Hoffen auf Vorreiterrolle
Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich (Bobfahren) bemängelte die seiner Meinung nach unzureichende Solidarität der Fußballprofis: „Und die es finanziell am wenigsten kratzt, tun sich dann noch schwer, auf ein paar Prozente ihren Gehalts zu verzichten. Das finde ich menschlich schwach.“ Allerdings haben Fußballprofis deutschlandweit in der Corona-Krise Gehaltseinbußungen akzeptiert.
Speerwerfer Vetter sieht es aus gesellschaftlicher Perspektive dennoch kritisch, dass in der Bundesliga schon ab Mai wieder der Ball rollen soll. „Wir befinden uns in einer Phase, in der alle zusammenhalten sollten, denn alle durchleiden jetzt das Gleiche“, sagte der Weltmeister von 2017: „Extrawürste gehören für mich nicht dazu.“
Der Kritik stehen nur wenige Äußerungen von Sportlern gegenüber, die Verständnis zeigen für eine Sonderrolle der Bundesliga. Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel hofft beispielsweise auf eine Vorreiterrolle des Fußballs. „Vielleicht ist es ja ein gutes Zeichen, wenn der Fußball wieder rollt, damit andere Sportarten nachziehen können“, sagte Brendel. Für den dreimaligen Olympiasieger selbst üben Geisterspiele aber keine Attraktivität aus: „Ich bin kein Fan von Wettbewerben ohne Zuschauer. Für mich wäre das wie ein Trainingswettkampf.“