
Kommentar : Olympia in Hamburg geht uns alle an
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Will Hamburg 2024 das ganz große Tor zur Welt sein und Olympia ausrichten? Bild: dpa
Es ist grotesk, aber unbestreitbar: Ein paar Hunderttausend Bürger in Hamburg entscheiden beim Olympia-Referendum auch über das Wohl und Wehe des Spitzensports in ganz Deutschland.
Was geht uns das an? Es sind die Hamburger, die den Mut aufbringen müssen, die Kraft, und das viele Geld. Wir schauen uns das Schauspiel dann in neun Jahren gemütlich an, freuen uns über ein grandioses Sommerfest und die innen- wie außenpolitische Wirkung von Olympischen Sommerspielen. Nach 52 Jahren wäre Deutschland wieder Gastgeber.
Der Nazi-Choreographie von Berlin 1936 und dem „heiteren“ Olympia bis zum Attentat in München 1972 folgten die Reformspiele: kein Gigantismus, Transparenz, Spitzensport unter dem schärfsten Anti-Doping-Gesetz in einer Gesellschaft, die von sich behauptet, der Welt ein gutes Vorbild sein zu können. Dies ist in Zeiten, in denen das verruchte, die Sportler verratende Verhalten von Funktionären fast täglich bewiesen wird, nicht mehr als ein Traum: In Hamburg könnte er halbwegs wahr werden.
Aber man muss die Sorgen der nachdenklichen Olympia-Gegner verstehen nach den Erfahrungen mit dem Euro-Grab Elbphilharmonie. Niemand kann ihnen fast zehn Jahre vor der möglichen Austragung der Spiele konkret sagen, welche Belastungen auf sie zukommen, von der finanziellen Beteiligung bis zu den Folgen von Bauarbeiten. Sicher ist nur, dass es die Gestaltung von Leben und Lebensraum nicht als Geschenk gibt.
Wer das ganz große Tor zur Welt öffnen will, muss Risiken eingehen. In Hamburg erscheinen sie gering. Sollte der Erste Bürgermeister nach einem positiven Votum und einem Auftrag vom IOC wider Erwarten sein Versprechen durchsetzen, für alles zusammen nur 1,2 Milliarden Euro aus dem Stadtsäckel aufzuwenden, bekämen die Hamburger eine vielversprechende Stadtentwicklung zu einem Dumpingpreis. Sie wären gut beraten, die Chance zu nutzen.
Schon aus dieser Perspektive betrachtet hat das Referendum eine weit über die Grenzen der Stadt hinausgehende Bedeutung. Nicht nur in Dortmund werden Sportfreunde feststellen, dass so ein schöner Olympiaplan in erster Linie als Stadtverschönerungsinstrument auf Kosten des Steuerzahlers benutzt wird.
Aber auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat eine Strategie. Weil der Staat trotz steigender Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Athleten und einer zunehmend stärkeren Konkurrenz nicht bereit war, seine Förderung um etwa 35 Prozent pro Jahr zu erweitern, blieb dem DOSB nichts anderes übrig, als die Karte Olympia zu spielen. Falls sie sticht, öffnet sie überall für Jahre Tore. Verweigern sich die Hamburger, dann wird es auf Jahrzehnte keine Olympia-Bewerbung mehr geben in Deutschland. Es ist grotesk, aber unbestreitbar: Ein paar Hunderttausend Bürger einer Stadt entscheiden auch über das Wohl und Wehe des Spitzensports in ganz Deutschland.
