
Sport im Innenministerium : Rauswurf statt Politik
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Die meisten sportpolitischen Ziele der Regierung Olaf Scholz erweisen sich mehr als Wunschvorstellungen denn als greifbare Projekte. Bild: dpa
Der Rauswurf der Frau, die auf Regierungsseite zwischen Sport und 300 Millionen Euro Spitzenförderung stand, erinnert an einen sportpolitischen Skandal vor vier Jahren. Und er wirft eine Frage auf.
Jemand im Sport kommentiert: Böhm 2.0. Der Rauswurf der Frau, die auf Regierungsseite zwischen den Sportorganisationen und gut 300 Millionen Euro Spitzensportförderung stand, erinnert an den sportpolitischen Skandal vor vier Jahren: Sportfunktionäre hatten die Nase voll davon, sich vom Ministerium ihre Pläne, ihre Ausgaben und vor allem deren Effektivität kontrollieren zu lassen.
Minister Seehofer erfüllte ihnen, kaum im Amt, den Wunsch nach Ablösung des Beamten Gerhard Böhm, der sich zu Verantwortung im Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers verpflichtet sah. Nun muss seine Nachfolgerin gehen. Auch auf den Rauswurf von Beate Lohmann hatten Sportfunktionäre gedrängt.
Die Politik wirkt sprunghaft. Noch bei ihrem Besuch im Sportausschuss vor vier Wochen lobte Innenministerin Nancy Faeser die kompetente und durchsetzungsfähige Abteilungsleiterin. Nun ist plötzlich das Vertrauen zerstört. Staatssekretärin Juliane Seifert versetzte die Ministerialdirektorin am Mittwoch fristlos in den Ruhestand. Das ist zwar legitim; von politischen Beamten wird Übereinstimmung mit der Linie der Regierung erwartet.
Doch welche sportpolitische Linie verfolgt die Regierung eigentlich? Über die Ankündigungen im Koalitionsvertrag hinaus ist sie nicht zu erkennen. Der Haushaltsausschuss genehmigte für die versprochene Wiederbelebung des Vereins- und Breitensports nach der Pandemie 25 Millionen Euro – ohne dass dafür ein Konzept vorliegt. Vorerst ist das Geld deshalb gesperrt.
Beate Lohmann muss für dieses Versäumnis als Sündenbock herhalten. Dabei erweisen sich die meisten sportpolitischen Ziele der Regierung Scholz fast ein halbes Jahr nach deren Antritt mehr als Wunschvorstellungen denn als greifbare Projekte. Da ist von einem Goldenen Plan für Sportstätten die Rede, von einer Art Spitzensport-GmbH zur unabhängigen Mittelvergabe und, das wirkt noch am konkretesten, von einem Zentrum für Safe Sport. Der große Wurf soll ein Entwicklungsplan Sport werden.
Gut möglich, dass für die Realisierung von dessen Ziel, Sport als Gesellschaftspolitik zu verstehen und zu nutzen, nun der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in seinen Eckpunkten für eine radikal neue Sportpolitik des Bundes die Blaupause vorgelegt hat. Das würde bedeuten, dass sich künftig nicht allein das Innenministerium, sondern insbesondere das Familien- und das Gesundheitsressort dafür einsetzen, Sport auf Feldern wie Demokratiebildung, Integration und Teilhabe sowie Prävention und Therapie zu nutzen und zu fördern – nicht unter der Leitung einer Abteilungsleiterin im Innenministerium, sondern unter der Regie eines Staatsministers für Sport im Kanzleramt.
Ob diese Ideen als Anmaßung verstanden oder von Bund und Ländern als Hilfestellung aufgegriffen werden, wird sich weisen. Vorerst gilt es, im Innenministerium Topathletinnen und -athleten nicht zu vergessen.