Aus für Boxverband : Das IOC schickt die Aiba auf die Bretter
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Auf dem Gipfel seiner Macht: IOC-Präsident Thomas Bach. Bild: EPA
Mit einem brachialen Finale geht die IOC-Session zu Ende. Die Olympier versetzen dem Boxverband Aiba den K.o.-Schlag und reformieren die Vergabe der Spiele. Präsident Thomas Bach ist auf dem Gipfel seiner Macht.
Mit einem brachialen Finale am dritten Tag ist die 134. Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Lausanne zu Ende gegangen. Erst versetzten die Olympier dem Internationalen Boxverband Aiba den K.-o.-Schlag. Dann legten sie sich selbst auf die Bretter. Die beiden wichtigsten Beschlüsse: Das Boxturnier der Spiele 2020 in Tokio wird zwar stattfinden, aber nicht unter der Leitung der Aiba. Und die IOC-Vollversammlung entscheidet zwar immer noch über die Vergabe der jeweiligen Olympischen Spiele. Allerdings leistet die Exekutive, unterstützt von zwei neuen Kommissionen, künftig so viel Vorarbeit, dass die normalen Mitglieder nur noch festgefügte Pläne abnicken. Beide Vorschlagspakete wurden einstimmig angenommen. Präsident Thomas Bach ist damit in seiner Organisation auf dem Gipfel seiner Macht.
Der Entscheidung, die Aiba für 2020 auszuschließen – eine Bestätigung der zuvor getroffenen Beschlüsse der Exekutive –, ging ein niederschmetternder Vortrag von Nenad Lalovic voraus. Der Präsident des Ringer-Weltverbandes ist einer von Bachs wichtigsten Getreuen. Der Serbe leitete das Untersuchungskomitee, das die Aiba durchleuchtete und Alarmierendes fand. Die Schulden des Weltverbandes, zuletzt intern auf 14 Millionen Euro beziffert, könnten weiter steigen. Lalovic sagte, dies bedeute, dass die etwa 15,5 Millionen Dollar Einnahmen, die der Aiba als Olympia-Organisator zustünden, nicht in die Förderung des Sports fließen würden. Schon vorher hatte das IOC alle Zahlungen eingestellt.
„Es ist nicht nötig, dass Athleten in einem korrupten Umfeld als Geiseln genommen werden“, sagte der scharfzüngige IOC-Doyen Richard Pound. Lalovic bescheinigte der Aiba eine katastrophale Verbandsführung. Seit langem werden ihr zudem manipulierte Richter-Urteile vorgeworfen. Der Serbe erwähnte die olympischen Turniere 2004 bis 2016. Endgültiger Auslöser für die IOC-Aktivitäten war aber die Wahl des Usbeken Gafur Rakhimow zum Präsidenten der Aiba im November des vergangenen Jahres. Das amerikanische Finanzministerium betrachtet ihn als einen führenden Kriminellen und führt ihn auf einer Sanktionsliste. Dies berge auch erhebliche Risiken für das IOC, führte Lalovic aus.
Rakhimow bestreitet alle Vorwürfe, trat aber aus Rücksicht auf die Zukunft des Weltverbandes von seinem Amt zurück. Nur pro forma, erklärte Lalovic. Künftig leitet er eine neue Kommission, die beobachtet, ob die Aiba sich bessert und für Paris 2024 wieder aufgenommen werden kann. „Wenn sie das nicht schaffen, wird ihre Zukunft nicht rosig werden“, sagte Lalovic. An diesem Donnerstag tritt die Aiba-Exekutive unter Führung des Interimspräsidenten Mohamed Moustahsane in Lausanne zusammen. Ihr gehört auch der deutsche Verbandsvorsitzende Jürgen Kyas an.
Eine Arbeitsgruppe des IOC unter Leitung von Morinari Watanabe, des Präsidenten des Turn-Weltverbandes, wird nun die Organisation des Boxturniers in Tokio übernehmen. Vier Qualifikationswettbewerbe wurden bereits an Buenos Aires, London, Dakar und einen Gastgeber in China vergeben. Die Kampfrichter werden aus dem Pool der Aiba rekrutiert, ohne Beteiligung von Aiba-Funktionären.
Eine ruhmlose Ära geht auch mit der Änderung des Vergabeprozesses Olympischer Spiele zu Ende: Solche Wahlen waren stets von Korruptionsvorwürfen begleitet. Höhepunkt waren die Enthüllungen um die Vergabe der Winterspiele 2002 an Salt Lake City, aber es gibt auch aktuellere Beispiele. Erst vor einer Woche wurde aus Brasilien gemeldet, der Prozess um den Olympia-Chef von 2016 in Rio, Carlos Nuzman, der sich um Stimmenkauf dreht, gehe in die nächste Runde. Im März zog sich der Japaner Tsunekazu Takeda aus dem IOC zurück. Er war von der französischen Justiz in Zusammenhang mit Stimmenkauf für die Spiele 2020 in Tokio gebracht worden. „Wir sind zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wissen aber, dass auch das beste System der Welt einen nicht immun macht“, sagte Bach bei der Pressekonferenz am Abend. Der Beschluss vom Mittwoch hat aber vorwiegend andere Gründe: den alarmierenden Bewerberschwund in den vergangenen Jahren. Nur mit Mühe und Not hatte das IOC es geschafft, zwei Kandidaten für die Vergabe der Winterspiele 2026 am Montag an den Start zu bringen. Mailand gewann das Duell mit Stockholm.
Die Session änderte das olympische Grundgesetz, die Charta, in dem Sinne, dass künftig zwei hochkarätige Kommissionen eingesetzt werden, die potentielle Bewerber für Sommer- beziehungsweise Winterspiele finden und begleiten sollen sowie Vorschläge für die Exekutive erarbeiten. Insgesamt wird der Prozess flexibilisiert. Spiele müssen nicht mehr sieben Jahre vor ihrer Austragung vergeben werden. Mehrere Städte können sich gemeinsam, sogar grenzübergreifend, bewerben. Wichtiger als ein zentraler Standort ist es, Kosten zu sparen, indem bestehende Sportstätten genutzt werden. Auch der Plan, dass potentielle Bewerber, wenn es in ihrem Land nötig ist, zuallererst ein positives Referendum vorlegen müssen, wurde angenommen. Auf diese Weise soll endlich Schluss sein damit, dass das Volk laufende Bewerbungen killt. „Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel danach richten“, sagte Bachs einstiger Gegenspieler Pound. Und das klang nicht nur wie sein Kommentar zu den Reformen, sondern wie eine aktuelle Zustandsbeschreibung des IOC.