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Anti-Doping-Kampf : Kontroll- und Wertverlust

Schwüre allein reichen nicht, wie hier von der Leichtathletin Heidi Schüller beim Olympischen Eid 1972: Der Sport muss vorleben, was er zu sein vorgibt Bild: dpa

Im Streit um die Verbesserung des Anti-Doping-Kampfes droht dem DOSB auf seiner Mitgliederversammlung die nächste Vorführung. Der deutsche Sport verspielt nach und nach seine Glaubwürdigkeit.

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          Sie ringen, die deutschen Sportfunktionäre. Vielleicht sind auch ein paar Boxschläge dabei, Leberhaken oder Beinchensteller. In jedem Fall kämpfen die Männer und Frauen, die alle für sich beanspruchen, den organisierten deutschen Sport weiterbringen zu wollen, in diesen Tagen heftig hinter den Kulissen. Damit es am Samstag bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Wiesbaden eine runde, ungestörte Sache wird: Die Wahl des designierten Präsidenten, Alfons Hörmann, scheint nur eine Formsache. Doch im Streit um eine (dringende) Verbesserung des Anti-Doping-Kampfes droht dem DOSB eine unangenehme Vorführung. Was, wenn die kleine Opposition mit ihrem Wunsch, künftig gedopte Athleten auch vom Staatsanwalt jagen zu lassen, wieder so krass scheitert wie vor einem Jahr?

          Anno Hecker
          Verantwortlicher Redakteur für Sport.
          Michael Reinsch
          Korrespondent für Sport in Berlin.

          In Stuttgart 2012 sprachen sich fast 95 Prozent der Delegierten gegen einen Straftatbestand aus und ließen mehr oder weniger alles beim Alten: nämlich allein dem Sport das Hoheitsrecht, sich um die Delinquenten in den Arenen zu kümmern. Der Staat soll lediglich die Dealer fangen. Entsprechend verhalten wirkte die Selbstreinigungskraft des Sports in den vergangenen vierzig Jahren. Ihr Meister Proper wischt bis heute hinterher. Die Zahl der positiven Proben suggeriert zweierlei: dass die verdorbenen Athleten massenhaft aus dem Osten kommen und die Deutschen in einer dopingfreien Zone leben. Seriöse, anonyme Umfragen sprechen (vorsichtig) von von 15 Prozent Dopern unter den deutschen Kadern. „Ja wollen wir denn das weiter vertuschen?“, fragt der Präsident der Deutschen Triathlon-Union, Martin Engelhardt: „Wir müssen doch endlich mal erkennen, dass es hier um mehr geht.“ Um nichts weniger als den Kernwert des Sports: um seine Glaubwürdigkeit.

          Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) als Vorkämpfer für einen Straftatbestand hat sich mit dem Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) auf einen Antrag geeinigt, der die Einführung des „Sportbetrugs“ als gemeinsamen Nenner hat. Dafür stimmen nun auch der Handball und Engelhardt DTU sowieso. Selbst der Turner-Präsident Rainer Brechtken hält die Einführung eines Straftatbestandes Sportbetrug für akzeptabel. Es deutet sich an, dass die kleine Gruppe noch mehr Beistand bekommt, obwohl die Sportführung, namentlich DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, intensive Spaltungsgespräche führt. Der gewiefte ehemalige Grünen-Politiker, ein überzeugter Straftatbestand-Gegner, hat Wackelkandidaten in einer (gescheiterten) Kompromissverhandlung am Dienstag zurückgepfiffen.

          Er wird, falls nötig, bis kurz vor der Versammlung nicht locker lassen. Und vermutlich leicht punkten bei Funktionären wie dem Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), Gerd Heinze: „Es ist wichtig, dass jetzt keine Schnellschüsse gefahren werden“, sagt Herr Heinze - nach einer zehn Jahre langen heftigen, bis zum Überdruss geführten Debatte. Kaum eine öffentliche Diskussion des Sports ist im Herbst ohne Schlagabtausch über den Straftatbestand geführt worden. Selbst die Internationale Sektion der Deutschen Juristen-Kommission, gespickt mit Koryphäen der Jurisprudenz, entdeckte bei ihrer Tagung in München die Bedeutung des Sujets.

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