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Anti-Doping-Gesetz : Die Welle rollt

Stop Doping: Aber wie? Bild: AFP

Die positiven Proben in der Sprintszene und die Studie zum Doping in Westdeutschland treffen den Nerv der Politiker. Doping wird zum Wahlkampfthema: Das F.A.Z.-Dossier.

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          Anke Rehlinger hat Jura studiert und Verwaltungswissenschaften. Sie ist, mit 37 Jahren, Justizministerin des Saarlands. Und hält immer noch den saarländischen Rekord im Kugelstoßen. 16,03 Meter, das ist nicht sehr weit und lange her. Aber die Verbindung zu dieser Leidenschaft in Jugendtagen besteht noch. Im Urlaub, bei der Betrachtung der Fernsehbilder von den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau, spürte auch die SPD-Politikerin das wachsende Unbehagen der Sportfreunde in diesem Land: „Ich habe das Gefühl, das wohl jeder empfindet, der herausragende Leistungen sieht: War das sauber?“

          Anno Hecker
          Verantwortlicher Redakteur für Sport.

          Ob als Übungsleiter oder im Ministeramt: Die Menschen scheinen es leid zu sein. Sich erst von einem packenden Wettkampf begeistern und dann wieder enttäuschen zu lassen. Die Wahrheiten über Lug und Betrug vermiesen mehr und mehr die Freude an Spitzenleistungen. Der Generalverdacht hat den Sport im Würgegriff. „Genau von diesem Gedanken müssen wir die Menschen befreien“, sagt die Ministerin und fordert den Zugriff des Staates, die Verfolgung des gedopten Athleten auch durch den Staatsanwalt.

          Der Ruf nach dem starken Arm zur Unterstützung der Sportgerichte ist nicht neu. Er wird seit zehn Jahren diskutiert. Aber jede Runde dieses Ringkampfs gewann bislang der gut vernetzte, organisierte Sport. Zuletzt erlitt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Dezember 2012 eine schwere Niederlage. Die Leichtathleten wollen schon den Besitz von geringen Doping-Mengen unter Strafe stellen lassen. Die Kollegen aus anderen Verbänden ließen ihre Muskeln spielen: Rund 95 Prozent der Delegierten fegten den Wunsch vom Tisch. Der Sport, so das Mantra des DOSB-Präsidenten Thomas Bach, fängt den betrügenden Athleten, der Staat soll die Hintermänner einsacken, die wahren Kriminellen, die Schreibtischtäter: Ärzte, Trainer, Betreuer, Teamchefs.

          Vor neun Monaten erschien der Streit als ein internes Kämpfchen unter Sportkameraden. Inzwischen kippt die Stimmung. In Bayern fordert nach Jahren des Werbens der Justizministerin Beate Merk (CSU) auch der Landesvater, ihr Parteifreund Horst Seehofer, ein auf den Athleten zugeschnittenes Anti-Doping-Gesetz. Man ist sich in dieser Frage sogar einig mit SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

          Selbst Intimfeinde sind sich in der Sache einig

          Selbst im lange unerschütterlich wirkenden Sport mehren sich die Stimmen. DOSB-Ehrenpräsident Manfred von Richthofen hat sich nach Jahren der Abneigung nun für ein scharfes Gesetz ausgesprochen. Wie ein Alarmsignal muss auch die Wortmeldung von Walther Tröger auf die Verteidigern der bestehenden Verhältnisse wirken: Der bedächtige Jurist, über Jahrzehnte ein ausgewiesener Profi unter den Sportfunktionären, liegt hier auf der Linie seines Intimfeindes von Richthofen.

          Die Sache steht im Vordergrund, auch bei den Volksvertretern: „Ich sehe die Bereitschaft der Politik, ein Stück voranzukommen. Die Beschlüsse der Justizministerkonferenz vom Juni deuten darauf hin, auch was den Tatbestand des Doping-Betruges angeht“, sagt Frau Rehlinger, „das war kein einstimmiges, aber stark mehrheitliches Votum, eines, was völlig unabhängig von der Farbenlehre und den Himmelsrichtungen, ob Ost oder West, zustande kam. Wir wollen versuchen, einen mehrheitsfähigen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen.“

          Der Staat im schmutzigen Spiel?

          Auslöser für die neue Welle, die auf den Sport zu rollt, sind die im Juli bekannt gewordenen Doping-Fälle in der internationalen Sprintszene und die Veröffentlichung der Studie über Doping in Westdeutschland. Obwohl die Ergebnisse dieser Arbeit zum größten Teil bekanntwaren, treffen die wiederholten Vorwürfe nun den Nerv aufrechter Demokraten. Dass nämlich das Bundesinnenministerium als Finanzier des Spitzensports zwischen Worten und Taten unterschied, Sauberkeit anmahnte, bis in die neunziger Jahre hinein aber zumindest eine mehr oder weniger verkappte Doping-Forschung finanzierte.

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