Zehn Jahre DOSB : Wo bleiben die Vorbilder im Sport?
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Gute Zeiten sind andere Zeiten: DOSB-Präsident Alfons Hörmann. Bild: dpa
Der Staat fordert mehr Medaillen, der Beauftragte für Good Governance anderes Verhalten. Zum zehnjährigen Jubiläum macht der DOSB keine gute Figur. Hinter der Fassade rumort es gewaltig.
Feierstunde in der Frankfurter Paulskirche: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat geladen. Selbst die Kanzlerin soll an diesem Freitag zum Jubiläum sprechen. Zehn Jahre DOSB seit der Fusion des Deutschen Sportbundes (DSB) mit dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für Deutschland 2006. Die Funktionäre werden im Sonntagsstaat in die „Wiege der deutschen Demokratie“ kommen und lächeln.
Doch hinter der Fassade rumort es gewaltig. Kritiker wie Autoren des Magazins „Olympisches Feuer“ wurden in die Zentrale zitiert, verweigerten sich aber. Die Führungsspitze scheint nervös nach spektakulären Misserfolgen wie dem Scheitern der Olympiabewerbung Hamburgs im vergangenen November. Weitere Herausforderungen kommen zu einem schlechten Zeitpunkt: Präsident Alfons Hörmann droht nach der fristlosen Kündigung durch seinen Arbeitgeber ein Arbeitsgerichtsverfahren.
Vorstandschef Michael Vesper muss gerade harte Kritik hinnehmen. Nachfragen zur Verlängerung seines Vertrages bis Ende 2017 haben zu einem Bericht des Good-Governance-Beauftragten für den DOSB, Jürgen Thumann, geführt. Darin heißt es zwar sinngemäß, dass gegen die Fortsetzung de jure nichts einzuwenden sei. Aber eine Ohrfeige gibt es doch: „Allerdings wird sein Verhalten, so wie es von Hinweisgeberinnen geschildert worden ist, teilweise nicht dem Amt des Vorstandsvorsitzenden gerecht. Das Präsidium sollte ihn (Vesper/d. Red.) an seine hervorgehobene Stellung und an seine Vorbildfunktion erinnern.“
Die Fragen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, worauf sich die Feststellung Thumanns beziehe und wie er sich die Ermahnung erkläre, beantwortete Vesper am Donnerstag nicht. In einer Mitteilung bat der DOSB „um Verständnis, dass wir keine Aussagen zu Details von Good-Governance-Verfahren machen können“. Der Dachverband versteht als wesentlichen Bestandteil von Good Governance „die Vertraulichkeit in der Behandlung von Hinweisen oder Meldungen“, hierzu verpflichte auch der Ethik-Code.
Was auch immer Thumann bewegte, der Zauber des Vorbilds, die Formel für die Rechtfertigung des Spitzensportbetriebes, verfliegt. Daran hat der DOSB im Kleinen wie im Großen seinen Anteil. In einer Stellungnahme auf harte Kritik im „Olympischen Feuer“ schreibt er von der „absoluten Notwendigkeit“ guter Führung und Regeltreue: „Good Governance und Compliance sind kein Placebo, sondern das Thema der Gegenwart.“ Und wie. Der Good-Governance-Bericht zum Jahr 2014, vorgelegt für die Mitgliederversammlung des DOSB im Dezember, entsprach an einer Stelle nicht den Tatsachen. „Auch Verstöße gegen die Good-Governance-Regeln des DOSB sind mir nicht angezeigt oder sonst wie bekannt geworden“, schrieb Thumann.
Als Sylvia Schenk das las, traute sie ihren Augen nicht. Es hatte doch nicht nur einen Hinweis an Thumann gegeben, sondern auch ein Gespräch mit allen Beteiligten über das möglicherweise unangemessene Verhalten einer DOSB-Führungsfigur. Kein Wort dazu im Bericht. Erst auf massive Intervention der Juristin, die sich bei Transparency International engagiert, lenkte der DOSB kurz vor der Mitgliederversammlung ein und strich den Satz. Die neue Version gab es als Tischvorlage am Tag der Sitzung. Allerdings ohne Hinweis auf die Veränderungen. Thumann blieb im Amt.
Drei Olympia-Bewerbungen sind gescheitert
Das Thema, so schreibt selbst der DOSB, werde auch in Zukunft den Sport berühren. Denn allenfalls mit guter Führung und überzeugenden Vorbildern sind die niederschmetternden Resultate des Sports auszugleichen. Drei Olympiabewerbungen scheiterten in der vergangenen Dekade. Zwei am Widerwillen der Bevölkerung. Dem DOSB ist es nicht gelungen, nach der Niederlage bei der Volksbefragung in München die Hamburger zur Mehrheit für das größte Sportfest der Welt zu begeistern.
Es mag viele Gründe dafür geben. Einer ist der Verlust der Glaubwürdigkeit des Spitzensports durch die vielen Manipulations- und Korruptions-Skandale. Dazu haben auch in Deutschland Funktionäre und Sportverbände beigetragen. Das Erbe dieser Mitmischer wurden Vesper und Hörmann, der erst seit Dezember 2013 das Sagen hat, nicht los. Im Gegenteil. Vespers unter dem ersten DOSB-Präsidenten Thomas Bach angenommene strikte Haltung gegen ein Anti-Doping-Gesetz trieb den DOSB in der öffentlichen Wahrnehmung in die Ecke der Verweigerer.
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Das führte zu einem Kontrollverlust der Sportführung. Regierung und Opposition haben die Sportpolitik in diesem wesentlichen Punkt übernommen und das Gesetz gegen den Willen der großen Mehrheit des DOSB durchgesetzt. Es ist seit dem 18. Dezember in Kraft. Nun behauptet der DOSB, er sei gar nicht grundsätzlich dagegen gewesen, sondern habe sich allein gegen die Verfolgung dopender Athleten durch den Staatsanwalt ausgesprochen. Das aber ist der Kern der neuen Rechtslage. Ohne ihn wäre es nie zum weltweit schärfsten Gesetz gekommen.
Die Macht der Politik reicht so weit, dass sich der DOSB unwidersprochen von Innenminister Thomas de Maizière eine Erfolgssteigerung von mindestens einem Drittel mehr Medaillen vorschreiben ließ. Ohne entsprechende Erhöhung des Budgets. Und ohne lautstark in Frage zu stellen, ob diese Forderung angesichts der Doping-Realität nicht genau dies forciere: Manipulation. Antworten auf dringende Fragen, welchen Leistungssport sich Deutschland leisten sollte, was man von jungen Menschen verlangen darf, ob die Hierarchie der Sportarten und damit die Mittelzuwendung überdacht werden muss, hat der DOSB nicht gegeben.
„Er hat in Sachen DDR-Doping-Opfer eine Bringschuld“
Obwohl er sich, mit mehr Verantwortung für das Hauptamt modernisiert, als Zentralorgan, als Hirn und Taktgeber betrachtet. Stattdessen gab er den Kampf um eine lautstark geforderte Mittelerhöhung sang- und klanglos verloren. Nun streitet der DOSB mit dem BMI über ein neues Spitzensportkonzept, das zu einer Verschlankung führen soll und sich wohl vorwiegend am Medaillenspiegel ausrichten wird - an der Erwartung des Ministers.
Eine andere Erwartung des Staates hat der DOSB schon heute enttäuscht. Das BMI setzte für die Doping-Opfer der DDR eine zweite Unterstützung in Höhe von 10,5 Millionen Euro durch und bat den Sport um ein entsprechendes Engagement. Aber der DOSB lehnt ab. „Er hat in Sachen DDR-Doping-Opfer eine Bringschuld“, sagt die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins, Ines Geipel, „ist aber in hohem Maße säumig. Jeder Monat ohne Hilfe erhöht seine Schadensbilanz.“ Wo bleibt die Vorbildfunktion?