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Carlsen-Sieg bei Schach-WM : „Jan wird sich in den Hintern treten“

  • -Aktualisiert am

Jan Nepomnjaschtschi verliert die sechste Partie bei der Schach-WM. Bild: AP

Die sechste Partie in Dubai ist die längste, die es je bei einer Schach-WM gab. Nach fast acht Stunden und 136 Zügen besiegt Magnus Carlsen den Herausforderer. Der überrascht die Experten mehrmals.

          2 Min.

          Im norwegischen Trondheim steht ein Großrechner namens „Sesse“, auf dem das Open-Source-Programm „Stockfish“ während der WM-Partien besonders tiefe Analysen anstellt. Wenn nur noch wenige Figuren auf dem Brett sind, rechnet „Sesse“ öfter mal je dreißig weiße und dreißig schwarze Züge in die Zukunft. Oder noch weiter. Sehr oft zeigt „Sesse“ eine Bewertung von 0.00 an. Das heißt, dass beim Rechnen Stellungen erreicht werden, in denen kein Vorankommen mehr in Sicht ist oder die bereits in einer Datenbank als remis gespeichert sind.

          Als Magnus Carlsen während der sechsten Partie nur noch drei Minuten für acht Züge hat, beginnt „Sesses“ Bewertung verrückt zu spielen. Sie springt von 0.00 auf 3.66. Gewinnstellung für Weiß. Jan Nepomnjaschtschi hat offenbar gepatzt. Beim 36. Zug zeigt Sesse -2,07 an. Großer Vorteil für Schwarz. Carlsen hat seine Chance verpasst! Beim 39. Zug lautet die Bewertung 3,08. Wieder Gewinnstellung für Weiß. Bald darauf steht es wieder 0.00.

          Der Weltmeister und sein Herausforderer sehen diese Bewertungen natürlich nicht. Aber fast alle, die ihre Partien im Internet verfolgen. Die meisten Übertragungen haben Computerbewertungen integriert. Man braucht nicht einmal viel von Schach verstehen, um zu wissen, wer wann einen Fehler gemacht hat. Aber wer warum Gewinnchancen hat, erklärt die Computerbewertung nicht. Das machen menschliche Kommentatoren, und die waren sich während fast der ganzen sechsten Partie einig, dass Carlsen am Drücker war.

          „Jan wird sich in den Hintern treten“

          Nachdem sich der Titelverteidiger am Mittwoch in einer Spanischen Eröffnung mit Schwarz die ganze Partie über verteidigen musste, hatte er nun Weiß und setzte wie schon in der zweiten Partie auf die Katalanische Eröffnung. Im zehnten Zug bot er ein vorbereitetes Bauernopfer an, doch Nepomnjaschtschi ließ sich darauf nicht ein. Später bot er dem Weltmeister aber Gelegenheit, seine Dame gegen beide schwarzen Türme zu tauschen. Carlsen war erfreut darüber: „Es ist für beide riskant, aber für ihn war es riskanter.“

          Auch einige spätere Entscheidungen Nepomnjaschtschis überraschten die Kommentatoren. „Jan wird sich in den Hintern treten“, sagte der 2018 geschlagene Herausforderer Fabiano Caruana auf Chess.com. Statt zu versuchen, die besten Züge zu spielen, sei der Russe auf Verwirrung aus gewesen. In eigener Zeitnot verpasste Carlsen vor dem 40. Zug Gelegenheiten, klar in Vorteil zu kommen. Danach war ein Remis bis kurz vor Schluss das wahrscheinlichste Resultat.

          Nach siebendreiviertel Stunden und 136 Zügen gab sich Nepomnjaschtschi geschlagen. „Es war von beiden Seiten keine exzellent gespielte Partie“, sagte der Russe. Fünf Jahre und neun Tage hat Carlsen, der nun 3.5:2,5 führt, darauf warten müssen, eine WM-Partie mit langer Bedenkzeit zu gewinnen. 136 Züge machen sie auch zur Partie mit den meisten Zügen in der Geschichte der Schachweltmeisterschaften.

          Die bisher längste WM-Partie wurde 1978 in Baguio City gespielt: Viktor Kortschnoi versuchte 124 Züge lang, Anatoli Karpow zu schlagen, bevor er sich ins Remis schickte. Damals gab es noch Hängepartien und das Spiel war zweimal unterbrochen und vertagt worden. Und auf jeden Spieltag folgte damals noch ein freier Tag. In Dubai geht es dagegen am Samstag mit der siebten Partie und Nepomnjaschtschi hinter den weißen Steinen weiter.

          Notation der sechsten Partie der Schach-WM, katalanisch

          Weiß: Magnus Carlsen (Norwegen)
          Schwarz: Jan Nepomnjaschtschi (Russland)

          1. d4 Sf6 2. Sf3 d5 3. g3 e6 4. Lg2 Le7 5. O-O O-O 6. b3 c5 7. dxc5 Lxc5 8. c4 dxc4 9. Dc2 De7 10. Sbd2 Sc6 11. Sxc4 b5 12. Sce5 Sb4 13. Db2 Lb7 14. a3 Sc6 15. Sd3 Lb6 16. Lg5 Tfd8 17. Lxf6 gxf6 18. Tac1 Sd4 19. Sxd4 Lxd4 20. Da2 Lxg2 21. Kxg2 Db7+ 22. Kg1 De4 23. Dc2 a5 24. Tfd1 Kg7 25. Td2 Tac8 26. Dxc8 Txc8 27. Txc8 Dd5 28. b4 a4 29. e3 Le5 30. h4 h5 31. Kh2 Lb2 32. Tc5 Dd6 33. Td1 Lxa3 34. Txb5 Dd7 35. Tc5 e5 36. Tc2 Dd5 37. Tdd2 Db3 38. Ta2 e4 39. Sc5 Dxb4 40. Sxe4 Db3 41. Tac2 Lf8 42. Sc5 Db5 43. Sd3 a3 44. Sf4 Da5 45. Ta2 Lb4 46. Td3 Kh6 47. Td1 Da4 48. Tda1 Ld6 49. Kg1 Db3 50. Se2 Dd3 51. Sd4 Kh7 52. Kh2 De4 53. Txa3 Dxh4+ 54. Kg1 De4 55. Ta4 Le5 56. Se2 Dc2 57. T1a2 Db3 58. Kg2 Dd5+ 59. f3 Dd1 60. f4 Lc7 61. Kf2 Lb6 62. Ta1 Db3 63. Te4 Kg7 64. Te8 f5 65. Taa8 Db4 66. Tac8 La5 67. Tc1 Lb6 68. Te5 Db3 69. Te8 Dd5 70. Tcc8 Dh1 71. Tc1 Dd5 72. Tb1 La7 73. Te7 Lc5 74. Te5 Dd3 75. Tb7 Dc2 76. Tb5 La7 77. Ta5 Lb6 78. Tab5 La7 79. Txf5 Dd3 80. Txf7+ Kxf7 81. Tb7+ Kg6 82. Txa7 Dd5 83. Ta6+ Kh7 84. Ta1 Kg6 85. Sd4 Db7 86. Ta2 Dh1 87. Ta6+ Kf7 88. Sf3 Db1 89. Td6 Kg7 90. Td5 Da2+ 91. Td2 Db1 92. Te2 Db6 93. Tc2 Db1 94. Sd4 Dh1 95. Tc7+ Kf6 96. Tc6+ Kf7 97. Sf3 Db1 98. Sg5+ Kg7 99. Se6+ Kf7 100. Sd4 Dh1 101. Tc7+ Kf6 102. Sf3 Db1 103. Td7 Db2+ 104. Td2 Db1 105. Sg1 Db4 106. Td1 Db3 107. Td6+ Kg7 108. Td4 Db2+ 109. Se2 Db1 110. e4 Dh1 111. Td7+ Kg8 112. Td4 Dh2+ 113. Ke3 h4 114. gxh4 Dh3+ 115. Kd2 Dxh4 116. Td3 Kf8 117. Tf3 Dd8+ 118. Ke3 Da5 119. Kf2 Da7+ 120. Te3 Dd7 121. Sg3 Dd2+ 122. Kf3 Dd1+ 123. Te2 Db3+ 124. Kg2 Db7 125. Td2 Db3 126. Td5 Ke7 127. Te5+ Kf7 128. Tf5+ Ke8 129. e5 Da2+ 130. Kh3 De6 131. Kh4 Dh6+ 132. Sh5 Dh7 133. e6 Dg6 134. Tf7 Kd8 135. f5 Dg1 136. Sg7 Schwarz gab auf. 

          Stand: 3,5:2,5 für Carlsen

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