Trainer in Hessen : „Man muss ein bisschen verrückt sein“
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Wünscht sich mehr Anerkennung: Hochsprung-Trainer Günter Eisinger Bild: Wonge Bergmann
Die im Leistungssport engagierten Trainer in Hessen begehren auf. Die Verhältnisse sind laut Hochsprung-Coach Günter Eisinger „unerträglich“.
Manchmal würde Günter Eisinger schon ein Handschlag genügen. Als Zeichen dafür, dass man einem Trainer für seine gute Arbeit Anerkennung zollt. Doch nicht einmal das sei selbstverständlich, bedauert der Hochsprungspezialist, der unter anderem Ariane Friedrich zu einer Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft 2009 in Berlin führte. Von Prämien oder anderer hilfreicher Unterstützung für die Betreuer ganz zu schweigen.
Die im Leistungssport engagierten Trainer in Hessen begehren deshalb auf. Im Oktober hat sich eine Auswahl von ihnen erstmals getroffen, um in einem Arbeitskreis die Basis dafür zu legen, dass zum Sportbundtag 2021 ein Trainerrat fest in der Satzung des Landessportbundes Hessen (LSB) verankert wird, der in Zukunft ihre Interessen vertreten soll. Denn die Verhältnisse, unter denen viele von ihnen arbeiten, sind laut Eisinger, der zu der AG zählt, „unerträglich“. Um die Athleten sorgt man sich. Es gibt Laufbahnberater, die ihnen bei der dualen Karriere helfen, Sporthilfe und Ausrüsterverträge, begünstigte Wohnungen und Handykontrakte sowie Sportfördergruppen bei Polizei und Bundeswehr. Johannes Karg, der an der Frankfurter Schillerschule Rudernachwuchs ausbildet, würde sich Ähnliches für Trainer wünschen. Denn von diesen gebe es in Deutschland derzeit nur 2500 hauptamtliche. Alle anderen sind mischfinanziert, Honorarkräfte oder üben den Job ehrenamtlich aus. Im Vergleich: Großbritannien hat seinen Angaben nach etwa 15 Mal so viele Vollzeit-Coaches, in der DDR gab es vor der Wiedervereinigung 6000, davon allein 564 in der Leichtathletik.
„Trainer verschenken Ressourcen“
60 bis 70 Wochenstunden sind nicht selten erforderlich, um Topathleten oder solche, die auf dem Weg an die Spitze sind, ausreichend zu fördern und zu begleiten. In vielen Fällen lastet die Verantwortung dabei nur auf einer Schulter; Ersatz für Wochenendeinheiten und -fahrten zu Wettkämpfen oder in Trainingslager gibt es nicht. „Trainer verschenken Ressourcen“, betont Eisinger. Sie riskierten ihre Ehen und ihre Gesundheit. „Wir sind vielleicht die größte Spendengemeinschaft in Deutschland.“ Den Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde erreichten viele bei ihrer Arbeit nicht. Fahrtkosten und andere Aufwendungen werden nicht immer erstattet. „Die meisten Ehrenamtlichen zahlen sogar dafür, dass sie ihren Trainerjob ausüben dürfen“, sagt der frühere Lehrer. Ein Leichtathletikcoach aus Mittelhessen berichtete kürzlich, er habe im Jahr 6000 Euro draufgelegt, um seine Athleten ausreichend zu versorgen. „Man muss schon ein bisschen verrückt sein, wenn man hier als Trainer arbeiten will.“
Zu den Folgen gehört, dass viele, die man gut gebrauchen könnte, Hessen und Deutschland verlassen. Dem möchten Eisinger, Karg und Co. gerne entgegensteuern. Als Idee schwebt ihnen vor, dass man für die Trainer eine ähnliche Versorgung auf die Beine stellt wie für Sportler, mit bezuschussten Arbeitsmitteln wie Sportkleidung und PCs. Beim LSB sollte es neben Musterverträgen und Vergütungsordnungen ihrer Meinung nach einen festen Ansprechpartner geben, der sich mit einer dualen Karriereplanung auch um die kümmern könnte, die erst auf dem Weg in den Beruf sind. Eine Polizeifördergruppe ähnlich der der Athleten wäre dabei hilfreich, bietet sie doch Perspektiven über das eine Arbeitsfeld hinaus. Als Problem sieht Karg, dass sich in Hessen kein Studiengang explizit mit dem Thema Leistungssport beschäftigt. „Es kann nicht sein, dass diejenigen, die jeden Tag für den Erfolg ihrer Sportler arbeiten, an den Rand gedrückt werden“, sagt der Wassersportfachmann, der selbst als Lehrer tätig ist.