Eintracht Frankfurt : Aus Jägern werden Gejagte
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„Wir haben noch nichts erreicht“: Niko Kovac gibt Anschauungsunterricht, wie die Eintracht-Profis Tore erzielen und weitere Punkte holen können. Bild: Heiko Rhode
Niko Kovac kennt die mäßige Bilanz der Eintracht in Augsburg. Doch er bleibt mutig: „Statistiken sind da, um sie zu brechen.“ Vertragsverhandlungen offenbar vor Abschluss.
Viermal noch, dann ist Pause. Die Eintracht, die zuletzt nicht den Eindruck hinterließ, sportlich mit den Kräften haushalten zu müssen, um gegen Ende eines abwechslungsreichen Jahres über die Runden zu kommen, ist doch in mancherlei Hinsicht urlaubsreif. Für Niko Kovac wird die Mannschaftsaufstellung zunehmend kniffliger – weil ihm die Qual der Wahl, über die er sich in dieser Saison zunächst so oft gefreut hatte, inzwischen erspart bleibt. „Wer trainieren kann, steht im Kader“, umriss der Coach die angespannte personelle Ausgangslage vor dem Gastspiel beim FCAugsburg. Neben den Langzeitverletzten Danny Blum, Yanni Regäsel, Taleb Tawatha, Johannes Flum, Guillermo Varela, Joel Gerezgiher und Slobodan Medojevic fehlt für diesen Sonntag, wenn die Frankfurter ihren Spitzenplatz in der Tabelle behaupten möchten, mit Marco Fabian ein Spieler, der zuletzt im Mittelfeld gesetzt war; der Mexikaner fällt wegen seiner fünften Gelben Karte gesperrt aus.

Sportredakteur.
Die zarte Hoffnung, dass Shani Tarashaj in den verbleibenden Wochen bis zu den Weihnachtsferien aus dem Kreis der Rekonvaleszenten einsatzbereit zurückkehren könnte, zerschlug sich ebenfalls. Dem Schweizer machen die Nachwirkungen einer Mandeloperation zu schaffen. Laut Kovac soll der 21-Jährige, der seit seinem Spätsommer-Wechsel aus England erst bei vier Einsätzen seine Bundesligatauglichkeit andeuten konnte, rund um den Jahreswechsel den Anlauf nehmen, sich während des Aufenthalts im Trainingslager in Abu Dhabi als Offensiv-Alternative anzubieten.
„Wir haben nicht das Recht, irgendeinen Gegner zu unterschätzen“
Den Eindruck, dass er sich wegen des spürbar übersichtlicher gewordenen Aufgebots Sorgen mache, vermittelte der Fußballlehrer am Freitag nicht. „Uns ist es zuletzt schon gelungen, Huszti zu ersetzen und Mascarell.“ Jetzt müssten eben alle anderen eine Schippe drauflegen, damit auch die Qualität, die üblicherweise Fabian verkörpere, kollektiv ausgeglichen werde. Er und seine Mitstreiter, so formulierte es der Coach, reisten jedenfalls mit der Absicht nach Augsburg, dort auch zu punkten. Sportvorstand Fredi Bobic findet es „cool“ und verspürt „eine Lust“, die Konkurrenz zu jagen“. Kovac klingt ein wenig differenzierter. Mittlerweile wüssten zwar „viele, dass wir schon was können“, aber deswegen „wird es auch schwieriger“. Aus seinen Spielern, die bislang „Jäger waren“, seien „Gejagte geworden“. Das erhöhe die Spannung. Zweifel, dass die Belegschaft dem Rollentausch womöglich nicht gewachsen seien, waren aus seinen Statements nicht herauszuhören: „Wir haben ein gutes Team und wollen uns stetig steigern.“
Dazu gehöre auch das Lösen komplizierter Aufgaben. Der Sichtweise des kommenden Widersachers, dessen Protagonisten sich vor dem Duell mit der Eintracht wiederholt als Underdog bezeichneten, konnte Kovac nicht viel abgewinnen. Er wollte seine Spieler vorab unter keinen Umständen mit der Favoritenbürde belastet wissen. Augsburg sei vielmehr eine „sehr organisierte“ Truppe, die seiner Mannschaft alles abverlangen werde; unlängst waren es Mitbewerber wie Freiburg und Darmstadt, die tief und dicht gestaffelt standen, so dass sich dem Tabellenvierten nicht die Freiräume boten, die er für sein zügiges Umschaltspiel bevorzugt. „Wir sind Eintracht Frankfurt. Und wir haben nicht das Recht, irgendeinen Gegner zu unterschätzen“, betonte Kovac. Mindestens ein Unentschieden sei dennoch das Ziel, „denn damit halten wir Augsburg auf Distanz“. Der ehemalige Profi weiß auch um die durchwachsene Bilanz der Frankfurter gegen die bayerischen Schwaben: Nur eines von acht Bundesliga-Aufeinandertreffen konnten die Hessen für sich entscheiden: „Statistiken sind da, um sie zu brechen.“
„Ich möchte das Lob nicht für mich allein“
Nach zwölf Spieltagen stehen 24 Punkte auf dem Eintracht-Konto zu Buche; so erfolgreich war der Klub zuletzt vor einem Vierteljahrhundert. Kovacs Augenmerk gilt nach wie vor dem frühzeitigen Erreichen des im Sommer ausgegebenen Klassenziels, das für ihn nichts ans Aktualität und Berechtigung verloren hat: Er will so früh wie möglich auch rechnerisch nichts mit dem Kampf um den Klassenverbleib zu tun haben. Mit den zwei Dutzend Zählern, die bislang eingesammelt wurden, sei „noch nichts erreicht“, sagte er, „ich bin mir ziemlich sicher, dass man damit absteigt“. Erst wenn die Vierzig-Punkte-Markte erreicht sei, „geben wir eine neue Parole aus“, kündigte Kovac an. „Es tut mir leid, dass ich da ein bisschen langweilig bin. Aber ich möchte nicht irgendetwas spielen, was ich nicht bin.“
Von den vielfältigen Preisungen seiner eigene Person, das ließ er am Freitag durchblicken, hat Kovac langsam aber sicher genug: „Ich möchte das Lob nicht für mich allein, denn ich habe ein gutes Team um mich. Das ist derzeit die Leistung aller“, sagte der 45-Jährige, „es ist ein Produkt der ganzen Mannschaft, und damit meine ich nicht nur die Spieler.“ Er schloss in seine Danksagung neben den Physiotherapeuten und Ärzten, der Medienabteilung und Fitnessbetreuern ausdrücklich auch den Vorstand ein. Mit den drei Herrschaften hat Kovac offenbar demnächst einen wichtigen Termin. In Sachen Vertragsverlängerung sei bald mit Ergebnissen zu rechnen: „Viele Tage sind es nicht mehr.“ Bis Weihnachten, sagte er, herrsche Klarheit. Nicht nur sein Lächeln bei dieser Aussage deutet derzeit darauf hin, dass es zur vorzeitigen Einigung über eine Fortsetzung des Engagements kommen dürfte. Alles andere wäre aus Sicht der Eintracht eine schöne Bescherung.