Auszeichnung für die Eintracht : „Wir haben Gänsehaut im Abo verschenkt“
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Eintracht-Präsident Peter Fischer (rechts) nimmt die Auszeichnung zur „Mannschaft des Jahres“ von Sebastian Vettel entgegen. Bild: dpa
Bei der Sportlergala in Baden-Baden fehlen der Trainer und die Spieler der Eintracht. Dafür sprechen Präsident Peter Fischer – und Sebastian Vettel, der eine selbstverfasste Ode an die Eintracht aufsagt.
Mit der ganzen Wucht seiner imposanten Erscheinung enterte Peter Fischer die Bühne des Kurhauses von Baden-Baden, im grauen Anzug zu orange-roten Turnschuhen und wählte die Flucht nach vorne: „Ich hätte euch gewählt, Martina!“, rief der Präsident der Frankfurter Eintracht der Trainerin des deutschen Frauen-Nationalteams zu – womit er die Lacher auf seiner Seite hatte. Den Applaus des Publikums, der eigentlich dem Siegerteam gebührte, teilte er ganz locker mit den Drittplatzierten: „Ihr habt meinen ganz großen Respekt“.
Doch Mannschaft des Jahres wurden eben nicht die Fußball-Frauen von Martina Voss-Tecklenburg, sondern die Fußball-Männer von Peter Fischers Frankfurter Eintracht. Bei der Wahl durch die Mitglieder des Verbands Deutscher Sportjournalisten erhielt das Bundesligateam dank seines überraschenden Gewinns der Europa League 975 Stimmen.
Die Fußball-Nationalelf der Frauen, die im Sommer unter der Anleitung Voss-Tecklenburgs Zweite bei der Europameisterschaft wurde, kam auf 828 und belegte bei der Sportler-Wahl Rang drei. Dazwischen platzierten sich noch die mit EM-Gold und WM-Bronze 2022 dekorierten Sprintfrauen (895) um die Sportlerin des Jahres, Gina Lückenkemper.
Nur dürre Grußworte
Die Fußball-Frauen waren in Teamstärke angetreten, auch die Staffelläuferinnen kamen zu viert, um Ehrung und Ovationen der gut 500 Gäste in Empfang zu nehmen – nicht aber die Kicker aus der „Fußballhauptstadt“ Frankfurt.
„Es kann leider keiner da sein“, bedauerte Fischer und beteuerte mit großer Geste und treuem Blick: „Die wären alle gerne hier.“ Doch das Los der viel beschäftigten Bundesliga-Fußballer ist hart: sie seien alle gerade im Urlaub, weit verstreut über die Welt, Japan, Südamerika, Afrika – wenn sie nicht gerade noch im WM-Finale mitwirken mussten wie der Franzose Randal Kolo Muani. Lediglich ein dürres Grußwort kam von Torhüter Kevin Trapp aus seinem Urlaubsdomizil. Trainer Oliver Glasner widmete den Erfolg via Video-Einspielung zudem allen Mitarbeitern und Fans.
Vorne hielt der Präsident den Kopf hin: „Der einzige, der kein Tor geschossen hat, der keinen Elfmeter gehalten hat, ist hier“, moderierte Fischer sich selbst an – und bezeichnete sich abwechselnd als „Trottel“ und „Dummkopf“. Der 66 Jahre alte Zweimetermann gab sich redlich Mühe, die Lücke auszufüllen, die seine Mannschaft auf der Bühne hinterlassen hat.
Er erinnerte mit blumigen Worten an die „Leidenschaft“, die das Team auszeichnet, die es zu Siegen über den FC Barcelona, West Ham United oder die Glasgow Rangers und damit zum Europapokalsieg trieb, und gipfelte seine Dankesrede in eigener Sache mit einer hübschen Metapher: „Wir haben Gänsehaut im Abo verschenkt.“ Die Leidenschaft, die im Fußball steckt, und bei Menschen aller Couleur immer wieder Begeisterung auslöst, ist der Faktor, den Fischer zum Klingen brachte.
Authentisch und sympathisch
Die zeichnete auch den Laudatoren des Abends aus, der sich von Kindesbeinen an als großer Anhänger der Eintracht versteht: Sebastian Vettel. Der viermalige Formel-1-Weltmeister aus Heppenheim, kaum eine halbe Autostunde von der Hessen-Metropole entfernt aufgewachsen („je nachdem, wie schnell man fährt“), sagte eine selbstverfasste Ode an die Eintracht auf, bei der er sich an Versatzstücken aus diversen Eintracht-Fansongs bediente.
Dass er beim Versuch, die Laudation auswendig vorzutragen, zweimal hängen blieb und das Handy als Spickzettel nutzen musste, machte seinen Vortrag nur noch authentischer und sympathischer. „Normalerweise rede ich ganz viel und bin nicht nervös“, sagte Vettel, „aber es ist ein besonderer Moment“.
Fischer umarmte Vettel mit Tränen in den Augen und war nicht der einzige Gerührte im Saal. „Ist das toll. Super“. Der Weltmeister als Fan – auch das gehört zur geheimen Magie des Fußballs. Doch damit dies so bleiben könne, müsse sich der Fußball bescheiden – auch das merkte Fischer am Abend noch an. „Fußball läuft rund um die Uhr“, kritisierte er die Taktik der übertragenden Streamingdienste und Fernsehsender: „Da wird mittlerweile der größte Mist gezeigt. Das ist der absolute Überkonsum und das tut uns auch nicht gut als Sportart.“
Andere Sportarten seien dagegen viel zu wenig präsent in den Medien, bedauerte Fischer und erinnerte daran, dass gerade „seine Eintracht“ ein Verein der Vielfalt sei, mit mehr als 50 Sportarten. „Da gibt es ganz viele faszinierende Dinge. Frisbee zum Beispiel: „Das ist abgefahren, was die drauf haben.“ Und sie würden bestimmt auch kommen, wenn sie geehrt würden.
Sebastian Vettels Liebeserklärung an die Eintracht
Mein erstes Mal zu Gast
„Er war laut - es roch nach Bier, Bratwurst und Schweiß
Gegenüber saftiges Grün, weiße Linien
Ein Meer aus schwarz, rot und weiß
Leute sprangen auf und ab
Alle stimmten ein, man solle heute siegen
Weil alle sie so lieben!
Ein Pfiff und es ging los
Es packte mich
Das Ergebnis – vergessen
Das Erlebnis – bleibt für immer
Der Sport ist wie das echte Leben
Es geht auf und ab, vor und zurück
Man rennt und müht sich
Manchmal wird man gesehen. Häufig nicht
Doch manchmal gibt es Momente, die alle sehen
Bei meinem Verein gab es dieses Jahr so einen Moment.
Man kennt sie nicht nur am Maine-Strand
Mit viel Leidenschaft und getragen von der Euphorie
und der Liebe der Fans gelang das Meisterstück
Der Europapokal – er ist zurück
Im Herzen von Europa liegt mein Frankfurt am Main
Dort gibt es eine Eintracht, die spielt Fußball ganz famos
Mit ihr wurde ich – und so viele Menschen groß.
Herzlichen Glückwunsch und Danke Eintracht Frankfurt!“