Jubel, Trubel, Pokal-Fight: Kapitän Fabian Holland war beim letzten Darmstädter Sieg gegen die Eintracht 2015 dabei. Bild: Huebner
Darmstadt 98 im DFB-Pokal : Quälgeister gegen den Eintracht-Sturm
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Den „Lilien“ gehen vor dem DFB-Pokalderby bei Eintracht Frankfurt die gewohnten Abwehrkräfte aus. Doch die Darmstädter jammern nicht. Vielmehr wollen sie der Herausforderung mit Herz begegnen.
Bei uns“, sagt Torsten Lieberknecht, „gibt es kein Jammern.“ Wäre ja auch noch schöner, angesichts einer fabelhaften Serie von 18 Zweitliga- und zwei Pokalpartien, in welchen die „Lilien“ nicht mehr besiegt worden sind. Angesichts von Tabellenplatz eins, einem Highlight-Spiel sowie bedeutenden Dingen wie dem möglichen Bundesligaaufstieg und der endgültigen Fertigstellung des Stadionneubaus vor Augen.
Allerdings wäre aus Sicht des Trainers Lieberknecht ein gewisses Hadern und Greinen mit Blick auf seinen direkten Kompetenzbereich sogar nachvollziehbar. Andere Berufsgenossen würden die Häufung von verletzt oder krank ausfallenden Profis vermutlich nutzen, um Erwartungen zu dämpfen. Oder sogar einer möglichen Niederlage verbal vorzubauen. Lieberknecht lässt jegliche Chancen, sich dem Lamento hinzugeben, aus.
Das hat er einst schon nach seinem Darmstädter Dienstantritt so gehalten, als eine Corona-Welle durch den Kader schwappte und den Saisonstart ruinierte. Und das hält er auch so vor dem kommenden Spiel, das die größte Bühne für die „Lilien“ seit dem Erstligaabstieg 2017 bereithält. Nichts weniger ist das „elektrisierende“ (Lieberknecht) Pokal-Achtelfinale beim großen Nachbarn Eintracht Frankfurt an diesem Dienstagabend (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal, in der ARD und bei Sky).
Pfeiffer fällt lange aus
Von mindestens 5100 Anhängern wird die Mannschaft begleitet, jedoch nicht von einigen wichtigen Spielern, zumindest nicht als Aktive auf dem Rasen. Der wochenlange Ausfall von Abwehrspieler Patric Pfeiffer, der sich in Sandhausen 44 Spielminuten nach seinem Comeback nach Zehenbruch einen Muskelbündelriss im Oberschenkel zuzog, ist der neueste Fall. Von der Stammformation der Abwehrkette vom Saisonstart sind aktuell Pfeiffer, Matthias Bader (Unterleibsverletzung) und Klaus Gjasula (Adduktorenblessur) außer Gefecht gesetzt.
Dass vor allem auf die Darmstädter Hintermannschaft einiges zukommen wird gegen die Frankfurter Angreifer von Champions-League-Format, ist klar. Nun haben die „Lilien“, wie sie es in der Liga schon in der Hinrunde bemerkenswert bewiesen, die Ausfälle stets zu kompensieren gewusst. Ohne Verlust an guten Ergebnissen, aber durchaus mit Verlust an Qualität. Denn Ersatzspieler wie Thomas Isherwood oder Frank Ronstadt, die in Frankfurt vermutlich in der Startelf stehen werden, profitieren vorrangig davon, dass sie auf Zeit in einen gefestigten wie harmonierenden Verbund mit klarer Aufgabenteilung eintreten.
Der Ausfall von Bader und Pfeiffer bedeutet das Fehlen von zwei Verteidigern mit guter Begabung im Spielaufbau. Nun kann man freilich davon ausgehen, dass die Darmstädter nicht planen, sich mit flüssigem Kurzpassspiel vom eigenen Strafraum aus durch die Eintracht-Reihen zu kombinieren. Lieberknecht sagte am Montag aber auch: „Wir wollen Spaß an dem Spiel entwickeln.“ Das kann freilich in der Rolle des jeden Gegenspieler mit Lauf- und Einsatzbereitschaft piesackenden Quälgeistes sein. Mit einer kompromisslosen Abwehrkraft, welche die Darmstädter in der zweiten Liga auszeichnet und, wenn das Spiel erst mal auf einen Pokalkampf hinauslaufen sollte, auch der vielgelobten Eintracht-Offensive Einhalt gebieten könnte.
„Wir werden es Frankfurt nicht so leicht machen“, sagte Mittelfeldspieler Tobias Kempe. „Es wird viel auf Leidenschaft und Defensivarbeit ankommen und dass wir sie mit unseren Jungs über Konter oder Standards treffen. Da sind wir stark.“ Kempe und Kapitän Fabian Holland sind die Relikte im „Lilien“-Kader, die beim letzten SVD-Sieg in der Frankfurter Arena mitgewirkt haben. Kempe gab am Nikolausabend 2015 die Freistoßflanke, die Aytac Sulu zum 1:0-Sieg für den Aufsteiger einköpfte und damit die Gewichte im hessischen Spitzenfußball kurz verschob.
Im Rückspiel in jener Saison, das ist vielen nicht mehr präsent, hätte eine Niederlage am Böllenfalltor fast den sicheren Abstieg der Eintracht bedeutet. Nach Pausenrückstand vermochte die SGE gegen die dem Klassenverbleib erfolgreich entgegenstrebenden „Lilien“ irgendwie noch 2:1 zu gewinnen – und sich letztlich in die Relegation zu retten, der als Grundstein des bis heute andauernden Höhenflugs gilt.
Darmstadt mit Viererkette?
Bei der Eintracht wird man Anschauungsunterricht genommen haben, wie die Darmstädter gegen klassenhöhere Teams agieren. In der zweiten Pokalrunde hatten die Gladbacher – allerdings am Böllenfalltor – durchaus verdient 1:2 das Nachsehen. „Es wird auch spannend zu sehen sein, wie sich die Eintracht auf uns einstellt und was sie bei uns als mögliche Gefahren ausgemacht haben“, sagte Lieberknecht. „Wir wissen, dass die Eintracht – wenn sie denn mal verloren hat – Mannschaften unterlegen war, die mit einer Viererkette agiert haben. Das ist ein interessanter Hinweis, der uns vielleicht helfen könnte.“
Ob dies eine Andeutung oder eine Nebelkerze ist mit Blick auf die Darmstädter Derby-Formation, wird sich zeigen. Zuletzt waren die „Lilien“ meist mit einer Dreierkette aufgelaufen. Den Personalengpass in der Abwehr bezeichnet Lieberknecht jedenfalls nicht als Ärgernis, sondern als „Herausforderung“. Und der Darmstädter Veteran Kempe meint: „Wir werden es genießen und unser Herz auf dem Platz lassen.“