
Olympia-Kommentar : Zeit für die Wahrheit
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Pussy Riot am Dienstag in Sotschi Bild: AP
Olympia in Sotschi ist eine rücksichtslose Machtdemonstration Putins. IOC-Präsident Bach sollte sich der Verantwortung stellen und Stellung nehmen zur Festnahme von Aktivisten. Denn wer schweigt, der duldet.
Es wird Zeit, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) aufhört, so zu tun, als bekäme es nichts mit von der russischen Willkür rings um die Spiele. Fast jeden Tag, so berichtet Amnesty International, würden Menschenrechtsaktivisten in der Olympiaregion festgenommen. Am Dienstag waren es laut Amnesty gleich neun - zusammen mit Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, den beiden Widerstands-Promis von Pussy Riot, wurde zum Beispiel auch der Bürgerrechtler Semjon Simonow von der Polizei drangsaliert.
Er hat unermüdlich die Fälle der ausgebeuteten Fremdarbeiter gesammelt, die unter skandalösen Bedingungen die Gebäude errichtet haben, an denen jetzt die Fahnen mit den fünf Ringen hängen. IOC-Sprecher Mark Adams, der Simonow auf einer Inspektionsreise im September persönlich kennengelernt hat, quittierte dessen Festnahme mit einem Schulterzucken und dem Verweis auf regionale Behörden.
Dass andere Olympiakritiker nicht einmal mehr das Gelände betreten dürfen, dass der Umweltaktivist Jewgeni Witischko aus fadenscheinigen Gründen zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt wurde - das geht das IOC nach eigener Auskunft nichts an, weil für die Olympier die Welt außerhalb der Akkreditierungszone angeblich endet.
Dabei müsste das IOC und an seiner Spitze der neue Präsident Thomas Bach eigentlich ethisch-moralisch auf der gleichen Wellenlänge liegen wie die Aktivisten. Angeblich ist es ja eine philantropische Organisation, die das Menschenrecht verteidigt und sich für den Umweltschutz starkmacht. Insofern müssten Bach und seine Kollegen sogar glücklich sein, dass sie diesen Leuten ein Forum bieten können, um ihre Anliegen öffentlich zu machen - selbst wenn sie die Festnahmen provoziert haben sollten, um internationale Aufmerksamkeit zu erregen.
Der Zeitplan der Olympischen Winterspiele von in Sotschi
Stattdessen verweigern die Olympier jeden Kommentar, verweisen auf die angeblichen Grenzen ihrer Einflusssphäre - und erlauben lieber einem anderen, seine politischen Allmachtsphantasien auf dem Rücken der Sportler auszuleben: Wladimir Putin gehört die Bühne, einem Mann, der permanent beweist, dass ihm die Grundsätze der Olympischen Charta vollkommen egal sind.
Wer sich nicht dem Verdacht des Wortgeklingels aussetzen will, darf aber nicht, wie Thomas Bach, vor den Vereinten Nationen und bei der olympischen Eröffnungsfeier Grundsatzreden halten - und sich wegducken, sobald die Sache konkret wird. Zumindest eine inhaltliche Stellungnahme ist das IOC den Aktivisten schuldig, die nichts anderes machen, als auf die nackte Wahrheit zu deuten: dass diese Winterspiele eine rücksichtslose Machtdemonstration Wladimir Putins darstellen. Bach sollte sich der Verantwortung stellen. Denn wer schweigt, der duldet.