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Sachenbacher-Stehle positiv getestet : Die Ärzte sollen reden

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Evi Sachenbacher-Stehle wurde positiv auf das Stimulanzmittel Methylhexanamin getestet. Bild: dpa

Die Doping-Affäre um Evi Sachenbacher-Stehle hat eine Vorgeschichte, die auch den Sport und seine mangelhafte Aufarbeitungsqualität in den Mittelpunkt rückt.

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          Nur ein Einzelfall! Das wäre der übliche Reflex einer Sportfamilie auf die Nachricht von einem erwischten Mitglied. Als wäre die positiv getestete Evi Sachenbacher-Stehle ein unglückliches, individuelles Phänomen in Deutschland. Aber niemand weiß, ob nicht noch andere Sportler verbotene Substanzen in sich tragen oder trugen. Das Kontrollsystem gibt dazu allenfalls Hinweise, keine Garantien.

          Sicher ist dagegen, dass die Affäre Sachenbacher-Stehle eine Vorgeschichte hat, die auch den Sport und seine mangelhafte Aufarbeitungsqualität in den Mittelpunkt rückt. Bei den Winterspielen 2006 in Turin verteidigte der damalige Olympiaarzt Ernst Jakob die Sportlerin. Sie hatte einen viel zu hohen Hämoglobinwert und wurde, wegen des Verdachts des Blutdopings, für ein paar Tage aus dem Sportverkehr gezogen.

          Hat je ein Arzt berichtet, was er weiß?

          Hinterher versuchte Jakob zu belegen, dass die damalige Langläuferin wegen einer genetischen Disposition so hohe Werte aufgewiesen habe. Was er nicht öffentlich sagte, aber später vor einer Kommission zur Aufklärung des Dopings an der Uniklinik Freiburg bekannte, lässt heute noch aufhorchen: Jakob war in Turin bass erstaunt, dass Evi Sachenbacher-Stehle auch nach der verordneten Einnahme von viel Wasser (zur Verdünnung) einen so hohen Hämoglobinwert aufwies. So steht es in den Unterlagen. Was die Frage aufwirft, ob der Mediziner vor den Medien gegen seine Überzeugung argumentierte.

          Das würde passen zum Schutzmechanismus im Sport. Hat je einer der bekannten Ärzte in Deutschland berichtet, was er weiß? Jakob musste im vergangenen August als Zeuge im Betrugsverfahren gegen den später freigesprochenen Radprofi Stefan Schumacher aussagen. Weil er als Mannschaftsarzt für das Team Gerolsteiner gearbeitet hatte und Schumacher glaubte, Jakob könne bestätigten, was er behauptete: Dass Doping bei Gerolsteiner nicht nur Usus, sondern auch bekannt war.

          Aber Jakob wollte so gut wie nichts gewusst haben. Weshalb Schumacher im Gerichtssaal kaum an sich halten konnte: „Wir haben uns vor der WM 2007 über Doping unterhalten, über Epo-Arten, über Nachweisbarkeit und Nichtnachweisbarkeit. Ich war offen, was meine Pläne waren. Ich verstehe nicht, warum Sie sagen, Sie hätten keine Ahnung davon.“

          Wer redet, ist aus dem Spiel

          Doch, es lässt sich leicht verstehen, warum selbst die überführten Doper unter den Medizinern wie Georg Huber bis heute schweigen. Sie wissen, dass Offenbarungen zur Ächtung führen. Das hat die Sportfamilie vorexerziert. Wer redet, ist aus dem Spiel. Jakob wurde vom DOSB bis zum Prozess gegen Schumacher als Vertrauensarzt empfohlen. Dem Sport ist deshalb nur von außen zu helfen.

          Just am Freitag gab es ein Zeichen der Hoffnung. Nach den Länderministern ist auch Justizminister Heiko Maas (SPD), so berichtet die „Bild“-Zeitung, für ein scharfes Anti-Doping-Gesetz. Demnach will er selbst den Besitz geringer Mengen bestimmter Doping-Substanzen unter Strafe stellen. Das ist sicher kein Allheilmittel. Es gäbe aber den Staatsanwälten die Chance, mit angemessenen Ermittlungsinstrumenten wie Telefonüberwachung und Hausdurchsuchungen auch Athleten am Schlafittchen zu packen. Seit fast zehn Jahren kämpft der Sport gegen diesen Schritt. Er muss wohl dazu gezwungen werden.

          Anno Hecker
          Verantwortlicher Redakteur für Sport.

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