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Ärger um Quarantäne : Sportlerin beklagt „unmenschliche“ Lage im Hotel

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Skateboarderin Candy Jacobs beschwert sich über die Hotel-Quarantäne in Tokio. (Bild von 2019) Bild: Picture-Alliance

Wer bei Olympia positiv auf Corona getestet wird, muss in Quarantäne in ein Hotel. Die, die es erwischt, beklagen sich mit deutlichen Worten über die schwer erträgliche Belastungsprobe.

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          Kampf um Frischluft, Betteln um besseres Essen und Yogastunden per Videoschalte zum Zeitvertreib: Die olympische Isolierstation in Tokio wird für corona-infizierte Athleten zur schwer erträglichen Belastungsprobe. „Das ist psychisch total anstrengend, ganz sicher mehr, als viele Menschen aushalten können“, sagte die niederländische Skateboarderin Candy Jacobs in einer Video-Botschaft aus dem Quarantänehotel, nachdem sie sich nach eigenen Angaben nach sieben Tagen erstmals eine Viertelstunde an einem offenen Fenster erstritten hatte. „Unmenschlich“ sei das.

          Auch Radsportler Simon Geschke, der als erster deutscher Olympionike positiv auf das Virus getestet worden war, kritisierte in mehreren Interviews die Bedingungen in der ihm zugewiesenen Unterkunft. Auch er dürfe kein Fenster öffnen, habe kaum Bewegung und an den ersten Tagen als Veganer fast nur Reis mit Sojasoße essen können, erzählte er. Dann erhielt er vom Deutschen Olympischen Sportbund ein Ernährungspaket sowie ein Rad samt Rolle für sein Zimmer. „Es ist ein wenig wie im Hamsterrad, aber es fühlt sich großartig an“, twitterte Geschke am Mittwoch dankbar.

          „Inakzeptabel“

          DOSB-Präsident Alfons Hörmann zeigte zwar Mitgefühl und versprach weitere Anstrengungen, um Geschke so bald wie möglich aus der Quarantäne zu befreien. Der Chef des Dachverbands sagte der Deutschen Presse-Agentur zu den grundsätzlichen Maßnahmen der japanischen Behörden aber auch: „Als Verantwortungsträger und Delegationsleiter sage ich: Es ist gut und richtig und wichtig, dass so konsequent agiert wird.“ Das stringente Vorgehen der Organisatoren finde die „uneingeschränkte Zustimmung“ des DOSB. „Auch wenn man als Mensch sagt: Verdammt, es ist sehr lästig“, fügte Hörmann hinzu.

          Andere Töne schlugen indes die Niederländer an. „Inakzeptabel“ seien die Umstände in der Hotel-Quarantäne für die Sportler, sagte der Technische Direktor der Oranje-Delegation, Maurits Hendriks. Neben dem eher auf japanische Bedürfnisse abgestimmten Essen beklagte der Spitzenfunktionär die geringe Größe der Zimmer, in denen kein Fenster geöffnet werden darf, und den Mangel an Tageslicht.

          Unzureichend vorbereitet

          Auf diese Bedingungen seien die Verbände trotz umfassender Handbücher zu den Corona-Maßnahmen vorher nicht ausreichend vorbereitet worden, schimpfte Hendriks. Frühestens am achten Tag und nach zwei negativen PCR-Tests können die Athleten die Quarantäne verlassen. „Wir haben nie Informationen über Quarantäneprotokolle erhalten, die wir angefordert haben“, sagte er. Hendriks kündigte eine Beschwerde beim Internationalen Olympischen Komitee an. Eine Stellungnahme der japanischen Olympia-Macher gab es zunächst nicht.

          Das IOC sicherte Unterstützung zu. Man arbeite daran, dass die „Prozesse verbessert“ werden, sagte Kirsty Coventry, Chefin der Athletenkommission beim IOC, am Donnerstag. Man stehe in Kontakt mit den betroffenen Athleten, ihre Beschwerden würden angegangen. Die IOC-Funktionärin wies allerdings zugleich darauf hin, dass die Quarantäne-Hotels Einrichtungen der japanischen Regierung seien.

          Richard Budgett, für medizinische Fragen zuständiger Direktor beim IOC, zeigte einerseits Mitgefühl für die betroffenen Athleten. Im Quarantäne-Hotel zu landen, sei „wirklich hart“. Doch die Regularien besagten nun einmal, dass positiv getestete Athleten isoliert werden. „Da gibt es keinen Weg dran vorbei“, sagte Budgett, fügte jedoch hinzu: „Es wird alles dafür getan, sie zu unterstützen.“ Trotzdem bedeute die Isolation großen Stress.

          Schwer genervt hatte zuletzt auch der amerikanische Beachvolleyballer Taylor Crabb von seinem Quarantäneleben in der Olympiastadt berichtet. 23 Stunden pro Tag müsse er in seinem Zimmer verbringen, nur zum Essenholen dürfe er kurz ins Erdgeschoss. Schönste Ablenkungen seien für ihn die Yogastunden mit seiner Mutter bei Facetime-Video, erzählte der 29-Jährige aus Hawaii.

          „Dieser Trip ist der wildeste, den ich je mitgemacht habe, und ich hoffe, ich muss so etwas nie wieder durchmachen“, sagte die Holländerin Candy Jacobs. Ihre mit Sturheit erstreikten Minuten am geöffneten Fenster beschrieb sie mit den Worten: „Diese ersten Atemzüge frischer Luft waren der traurigste und schönste Moment meines Lebens.“

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