Olympia 2016 in Rio : The Show must go on
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Probe für den Ernstfall: Bei Olympia in Rio wird sogar das Feuerwerk geübt. Bild: AFP
Wenn die Spiele an diesem Freitag eröffnet werden, ist klar: Rio hat es geschafft. Ächzend hat Brasilien Milliarden-Kulissen für Olympia aufgebaut. Nun aber stellt sich eine entscheidende Frage.
Gut zwei Jahre ist es her, dass Thomas Bach und Carlos Nuzman in tiefen Clubsesseln beieinander saßen. Vor ihnen ein großer Bildschirm, auf dem Fußball gezeigt wurde. Der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und der Präsident des Organisationskomitees der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro hatten vor, das Halbfinale der Fußball-WM in der Lobby des Palace-Hotels, der Stamm-Herberge des IOC in Lausanne, gemeinsam zu genießen. Deutschland (Bach) gegen Brasilien (Nuzman) in Belo Horizonte. Das Desaster ist bekannt.
Beim 2:0 von Klose sprang Bach noch auf. Doch dann wurde er immer ernster. Kurz vor Schluss schlug er die Hände vors Gesicht. Nach dem Schlusspfiff, als das 7:1 zur bitteren Wahrheit geworden war, war es ganz still. Die beiden Herren fielen einander in die Arme, Bach fast schuldbewusst, Nuzman tapfer. Aber etwas Neues war in der Welt. Dieses nicht mehr zu tilgende Gefühl, dass Brasiliens Papierform nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun haben könnte. Dass nichts als temporärer Größenwahn während einer wirtschaftlichen Scheinblüte dieses Land dazu getrieben haben könnte, Olympia-Gastgeber zu werden. Dass es an seinen längst überholten Ansprüchen vollends zerbrechen könnte.
„Die Brasilianer sind bereit“
Das zermürbende Rennen Olympias gegen die Zeit und die Lethargie hatte schon vorher begonnen, die Lähmung durch den ungeheuerlichen Sieg der deutschen Fußballer über die der Selbsttäuschung anheimgefallenen Brasilianer machte alles noch schlimmer. Doch wenn an diesem Freitag das olympische Feuer entzündet wird, ist klar: Rio hat es geschafft.
„Die Cariocas sind bereit, die Brasilianer sind bereit, die Sportstätten sind bereit“, sagte Bach in seiner Rede zur Eröffnung der IOC-Vollversammlung zu Wochenbeginn, und man spürte dahinter die Hoffnung, dass das Land wirklich bereit sein möge für Olympia und nicht fertig von den gewaltigen Anstrengungen, während seiner wirtschaftlichen und politischen Talfahrt zwei solche Mammutprojekte wie die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 stemmen zu müssen.
Die Tatsache, dass bei der Sessions-Eröffnung kein Repräsentant der brasilianischen Regierung anwesend war, spricht Bände, was den politischen Zustand des Landes angeht. Und der Gegensatz zwischen den fast unwirklichen Innenräumen der Stadien und ihrer kargen, asphaltierten Umgebung im Herzstück der Spiele, dem „Olympic Park“, erzählt von der Kluft zwischen der Illusion spektakulärer Fernsehbilder und der Realität einer Gesellschaft, die pleite ist. Zwischen der Pracht der olympischen Laufbahnen und Swimmingpools und den kaputten Schultoiletten und nie fertiggestellten Turnhallen für die Kinder des Landes. Es können trotzdem schöne Spiele werden für die Welt des Sports vor den Fernsehschirmen, an Computern und Smartphones.
Sonderkredit durch die Landesregierung
Ob es auch schöne Spiele für Rio werden, ist die Frage. Obwohl aus Finanzgründen Tribünen eingespart wurden, sind offiziell noch etwa 800.000 Eintrittskarten unverkauft. Man wartet auf Kurzentschlossene, außerdem werden im Rahmen eines Sozialprogramms brasilianische Kinder – 2000 aus den Favelas – Lücken füllen. Die Verbitterung der armen Bevölkerung über die astronomischen Ausgaben schlägt sich in Umfragen nieder. Der Veranstaltungszuschuss des IOC von mehr als 1,5 Milliarden Dollar ist zwar hoch, zweimal wurden Raten vorgezogen, um finanziellen Engpässen des Organisationskomitees zu begegnen, aber Rio ächzt trotzdem. Zu einem Nachschlag war das IOC nicht bereit.