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Ovtcharov gewinnt Bronze : „Vier Tage Einzel fühlen sich an wie vier Jahre“

  • -Aktualisiert am

Großer Jubel: Nach drei abgewehrten Matchbällen darf sich Dimitrij Ovtcharov über die Bronzemedaille freuen. Bild: dpa

Die vergangenen Tage waren für Dimitrij Ovtcharov eine „emotionale Achterbahnfahrt“. Bei den Olympischen Spielen gewinnt er Bronze im Tischtennis-Einzel – nun will er auch mit der Mannschaft eine Medaille.

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          Für Dimitrij Ovtcharov gab es in Tokio doch noch ein Happy End. Keine 24 Stunden nach seiner unglücklichen Halbfinalniederlage gegen Weltmeister und Olympiasieger Ma Long behauptete sich der 32-jährige Deutsche im Spiel um Bronze gegen Taiwans großes Talent Lin Yun-Ju mit 4:3. Nach 2012 in London sicherte er sich seine zweite Einzelmedaille im Olympischen Tischtennisturnier. Es war eine spielerische und taktische Glanzleistung, vor allem aber ein mentaler Kraftakt Ovtcharovs, der im sechsten Satz vier Matchbälle abwehrte und auch im entscheidenden siebten Durchgang nach 9:3-Führung noch einmal zittern musste.

          Als emotionale Achterbahnfahrt bezeichnete der Sieger die letzten Tage, „vier Tage Einzelturnier bei Olympia fühlen sich an wie vier Jahre im normalen Leben.“ Im Viertelfinale gegen Hugo Calderano (Brasilien) hatte er schon kurz vor dem Aus gestanden, doch die Partie noch gedreht. „Da hab ich gewusst: Das ist jetzt meine Chance. Ich hab an den Sieg gegen Ma Long so fest geglaubt wie vielleicht niemand anders – und dann ging das mit einem einzigen Punkt weg.“

          Kaum geschlafen

          Die denkbar knappe Niederlage zu verarbeiten, um rechtzeitig für das Spiel um Bronze wieder auf der Höhe zu sein, das war die schwierigste Aufgabe für Ovtcharov. „Ich hab kaum geschlafen in der Nacht“, bekannte er. „Es kamen immer wieder Spielfetzen von der Partie gegen Ma, von der verpassten Chance. Das war die Chance meines Lebens.“ Seinem Vater habe er gesagt: „Das schmerzt so sehr, ich kann nie wieder Tischtennis spielen. Das ist zu schwer.“ Mikhail Ovtcharov antwortete: „Wenn du heute gewinnst, sieht die Welt wieder anders aus.“

          Sein Vater habe recht behalten, bestätigte der überglückliche Medaillengewinner, doch es bedurfte der Unterstützung des gesamten deutschen Teams, so weit zu kommen. Den Anfang machte Jörg Roßkopf. Der Herren-Bundestrainer berichtete, er habe mit seinem Schützling bereits im Bus darüber gesprochen, wie wichtig es sei, vollen Fokus auf das Spiel um Bronze zu haben. Und dabei griff der erfahrene Trainer zu einem kleinen psychologischen Trick. „Ich habe ihm gesagt, seine Tochter erwartet von ihm und wünscht sich, dass er irgendwas mitbringt, am besten eine Medaille. Ich weiß, dass das für ihn Ansporn genug ist.“ Der Bundestrainer wusste zudem aus eigener Erfahrung, wie man sich in dieser Situation fühlt. „Ich war ja 1996 auch in der Lage.“

          Roßkopf hatte in Atlanta als erster deutscher Tischtennisspieler eine olympische Einzelmedaille gewonnen, mit einem denkbar knappen Erfolg im Kampf um Bronze gegen den Südkoreaner Kim Taek Soo. Dimitrij Ovtcharov war dies 2012 in London als zweitem Deutschen gelungen, doch diesmal standen die Vorzeichen aus seiner Sicht anders. „2012 bin ich mit dem festen Glauben zu Olympia gefahren, dass ich Bronze gewinnen kann, aber ich habe nie an mehr als Bronze geglaubt“, sagte er. Mittlerweile habe er sich weiterentwickelt, sein Spiel verbessert. Er habe geglaubt, in Tokio noch weiter als bis ins Halbfinale kommen zu können.

          Alle hätten ihm nach der Niederlage mentalen Beistand gegeben, seine Frau und sein Vater, mit denen er telefonierte, Bundestrainer Roßkopf, Timo Boll und die übrigen Teamkameraden. „Mir hat jemand gesagt: Wenn ich heute nicht alles gebe, werde ich das mein ganzes Leben bereuen.“ Das überzeugte Ovtcharov. „Deswegen habe ich noch mal alles aus mir rausgeholt. Ohne das wäre ich gar nicht aus dem Bett gekommen.“

          Auch sein Gegner im Spiel um Bronze hatte schließlich sein Päckchen zu tragen. Der erst 19-jährige Lin Yun-Ju, der zurzeit als größtes Talent im Welttischtennis gilt, hatte ebenfalls kurz vorm Einzug ins Finale gestanden, dann aber mit 3:4 gegen den Weltranglistenersten Fan Zhendong verloren. Gegen Ovtcharov bestätigte der Linkshänder sein Potential: Mit spielerischer Leichtigkeit verleiht er den Bällen enorme Beschleunigung, als guter Aufschläger und schon jetzt bester Rückschläger der Welt setzt er jeden Gegner von Anfang an unter Druck. Roßkopf bezeichnete den Taiwaner als Supertalent. Am Sonntag starten die deutschen Männer gegen Portugal in den Mannschaftswettbewerb, und Ovtcharov ist jetzt voller Optimismus: „Wir haben die schwerste Auslosung erwischt, die wir kriegen konnten, aber wir haben es in uns, jedes Spiel zu gewinnen.“

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