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First Afghan Surf Championship : Wie ein Student das Surfen nach Afghanistan bringen will

  • -Aktualisiert am

Roter Punkt im blauen Meer: Afridun Amu will den Surfsport in Afghanistan populär machen Bild: Anna-Bettina Schulz

Afridun Amu studiert in Berlin und hat ein afghanisches Surfprojekt gestartet. In einem Land, das nicht an einen Ozean grenzt und in dem Menschen noch immer um ihr Leben fürchten? Alles andere als verrückt sei das, meint Amu.

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          Die juristische Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin liegt am Bebelplatz, gleich neben dem luxuriösen Hotel de Rome, sie hat eine der schönsten Fassaden der Stadt. In der Eingangshalle eine Cafeteria, im zweiten Stock die Bibliothek, wo in der Examensvorbereitung Hunderte Jurastudenten die Farbe im Gesicht verlieren. Afridun Amu ist hier eine Sensation. Federnder Gang, lange Haare, Bräune im Gesicht. Der Afghane mit Vollbart und sportlicher Figur ist ein Exot in der Fakultät. Nicht weil er Wurzeln in einem anderen Land hat, sondern weil jedes Anzeichen von Lebendigkeit sich hier im allgemeinen Studieneifer kontrastiert.

          Amus Geschichte beginnt in Kabul. 1987 wird er dort geboren, seine Mutter ist Ärztin, der Vater Diplomat in Russland. Sobald er reisefähig ist, verlässt seine Mutter mit ihm Afghanistan, wo noch immer der Krieg zwischen sowjetischer Besatzungsmacht und den Mudschahedin tobt. Amu lebt die ersten Jahre in Moskau, wo sein Vater in der afghanischen Vertretung arbeitet. 1989 ziehen sich die sowjetischen Truppen aus Afghanistan zurück, 1991 bricht die Sowjetunion auseinander, und ein Jahr später wird der Islamische Staat Afghanistan gegründet. Mit dem neuen Regime der fundamental-islamischen Kräfte will die Familie Amu nichts zu tun haben.

          Als politischer Flüchtling nach Deutschland

          In Russland droht ihr ohne Diplomatenstatus die Ausweisung, in Afghanistan wegen ihrer politischen, prorussischen Vergangenheit die Verfolgung. 1992 kommen die Amus als politische Flüchtlinge nach Deutschland, der Sohn geht in Göttingen zur Schule. Vor mehr als zwanzig Jahren, noch vor dem Regime der Taliban, ist er zuletzt in Afghanistan gewesen. Amu bekommt einen deutschen Pass, macht Abitur und Zivildienst, beginnt Jura und Kulturwissenschaften zu studieren.

          Mittlerweile hat er das erste Jura-Staatsexamen geschrieben, den Bachelor in Kulturwissenschaften hat er nebenher fast fertig. Neben dem Studium spielt er Schach im Verein, spielt Tabla und Gitarre, er geht schwimmen. Vor allem aber sieht er zu, dass er möglichst oft ans Meer kommt. Bis zur Examensvorbereitung war er mindestens fünf Monate im Jahr surfen, während der Examenszeit immerhin noch drei. Und nun, in diesem Frühjahr, soll sein Weg zurück nach Afghanistan führen, in das Land, in dem er vor 28 Jahren geboren wurde. Dort wird er vor allem übers Surfen reden.

          Afridun Amu
          Afridun Amu : Bild: privat

          Amu ist Präsident des afghanischen Surfverbandes Wave Riders Association of Afghanistan (WRAA), den er 2012 mit Freunden gegründet hat. Ende 2014 wurde die WRAA vom Weltsurfverband (ISA) anerkannt. Afghanistan ist das 86. Land im Weltsurfverband. Es steht nun ganz oben auf der Liste: A wie Afghanistan.

          Nach Afghanistan kam die Meldung zunächst über die sozialen Medien. Fernsehen und Zeitungen berichteten. Das erste Projekt des Verbandes sind die nationalen Meisterschaften, die Ende Mai in Ericeira in Portugal stattfinden werden. Weitere Projekte in Afghanistan sollen folgen. Schwimmunterricht, Reisen organisieren, Menschen die Möglichkeit geben, Surfen zu lernen. Vielleicht eines Tages ein Wave-Garden, eine künstliche Welle, irgendwo in Afghanistan.

          Aber ist es nicht verrückt, in einem Land, in dem Menschen noch immer um ihr Leben fürchten müssen oder keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, ein Surfprojekt zu starten? Die Reaktionen in Afghanistan signalisieren anderes. Über jede Sportart, die sich entwickelt, gibt es dort eine natürliche Freude. Nach einer langen Zeit der Isolierung ist die Sehnsucht nach Normalität groß, nach Dingen, die anderswo in der Welt selbstverständlich sind. „Unser Ziel ist es, Afghanen zusammenzubringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas zu machen, was woanders gewöhnlich ist“, sagt Amu. „Das bringt Normalität nach Afghanistan, und die Entwicklung von Normalität ist eine Form des Aufbaus. Wenn zivile Strukturen aufgebaut werden, wird das Land aufgebaut.“

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