Tischtennis : Gegen den Trend
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Starkes Spiel: Die erst 16 Jahre alte Nina Mittelham Bild: picture alliance / Eibner-Presse
Auch im deutschen Tischtennis-Nationalteam geben gebürtige Chinesinnen den Ton an. Nina Mittelham erweist sich bei den German Open als eine schlagkräftige Ausnahme.
Nina Mittelham sieht so gar nicht aus wie eine erfolgreiche Tischtennisspielerin, denn sie wurde in Europa geboren, genauer in Deutschland, noch genauer in Willich. Als bei den German Open in Berlin am Samstagmittag das Achtelfinale ausgetragen wurde, war sie die einzige der 16 Spielerinnen, deren Wiege nicht in Asien stand. Der Trend ist nicht neu, aber noch nie so eindeutig gewesen wie in diesem Jahr. Bei den Europameisterschaften in Schwechat vor einem Monat standen sieben gebürtige Chinesinnen im Viertelfinale. Leistung durch Einbürgerung lautet die Strategie, seitdem die Kommunistische Partei die Ausreiseregelung gelockert hat. Auch der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) profitiert davon. Dank Han Ying und Shan Xiaona gewann das Team von Nationaltrainerin Jie Schöpp zum ersten Mal nach 15 Jahren wieder den EM-Mannschaftstitel. Die beiden holten bei ihrem ersten Auftritt für Deutschland in der Einzelkonkurrenz Silber und Bronze.

Sportredakteur.
Einige Kommentare fielen hämisch aus. „Hier kommt das deutsche Team“, sagte die unterlegene rumänische Nationalspielerin Elizabeta Samara sarkastisch, als Han Ying und Shan Xiaona das Podium zur Sieger-Pressekonferenz in Schwechat betraten. Nicht nur die Konkurrenz, auch einige deutsche Fans reagierten bösartig. „Für Chinesinnen klatschen wir nicht“, lautete einer unter mehreren Postings im Internet mit rassistischem Inhalt. DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig kann das Grummeln der Gegner nachvollziehen, die Einstellung mancher Fans nicht. „Natürlich ist es bitter für die Rumänen, weil sie ihre Spielerinnen von klein auf ausgebildet haben. Und dann verlieren sie gegen eine Mannschaft, in der das nicht so ist.
Aber wir haben uns an alle Regeln gehalten, und es gibt keinen Grund, deutschen Staatsbürgern zu verbieten, für Deutschland Tischtennis zu spielen.“ Die beiden neuen Nationalspielerinnen sind seit acht beziehungsweise elf Jahren im Land. Sie wurden vom Bundesligaklub TV Busenbach verpflichtet, der damals einen chinesischen Trainer hatte. Sie leben seitdem im Lande, und es gab weder von ihnen noch vom Tischtennisbund einen Sonderantrag auf eine vorgezogene Einbürgerung. Ganz im Gegensatz zu einigen anderen Nationen, in denen gebürtige Chinesinnen schon nach einigen Monaten den Pass erhalten, obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt nicht in ihrer neuen Heimat haben, sondern quasi nur zu Lehrgängen und zum Abkassieren einfliegen.
Trainingsumfänge gesteigert
Obwohl Han und Shan nicht den Anflug eines schlechten Gewissens beim Tischtennisbund auslösen, so ist man im Verband doch sehr froh, dass es eine Nina Mittelham gibt. Das 16 Jahre alte Mädchen vom Niederrhein ist der lebende Beweis für die Effektivität des Nachwuchssystems, sozusagen des deutschen Wegs. Mit 12 kam sie ins Internat des Leistungszentrums in Düsseldorf, in diesem Sommer wurde sie dreifache Jugend-Europameisterin und am Freitag der Liebling des Berliner Publikums. Nicht nur, dass die an Weltranglistenposition 138 geführte Teenagerin sich überraschend für das Hauptfeld des Turniers qualifizierte, sie besiegte auch noch die Ungarin Georgina Pota (Nummer 51 der Welt) und danach die Rumänin Elizabeta Samara (23), an der sich einige deutsche Nationalspielerinnen in den vergangenen Jahren die Zähne ausgebissen haben. Erst am Samstag war dann Endstation, gegen die Japanerin Ai Fukuhara (14) fand sie überhaupt kein Mittel.
„Das konnte man so erwarten“, sagte ihr Internatstrainer Jörg Bitzigeio, „Fukuhara ist noch mal eine ganz andere Hausnummer, da fehlt Nina noch ein bisschen Qualität.“ Bitzigeio betreut seit knapp zwei Jahren die Schüler des Tischtennis-Internats. Zuvor war er Damen-Bundestrainer. Doch die Zusammenarbeit endete, weil die Damen sich weigerten, mit dem „Schleifer“ weiter zusammenzuarbeiten. Ihn dann auf die Kinder loszulassen, war eine Entscheidung, die manchen seltsam vorkam, aber die vom grundsätzlichen Vertrauen des Verbandes in die Fähigkeiten und Methoden des Trainers zeugt. Mit dieser Mannschaft funktionierte es halt nicht mehr. Keine der Rebellinnen hat übrigens ihre Leistungen gesteigert, seitdem sie nicht mehr von ihrem alten Nationaltrainer betreut werden.
Mit Bitzigeio wurden die Trainingsumfänge auch im Internat gesteigert. Nina Mittelham übt 20 bis 22 Stunden die Woche. „Dazu kommen die Spiele und die Anreise, das ist mehr als der Fulltimejob eines Erwachsenen. Man kann nicht genug Respekt vor ihrem Einsatz haben“, sagt Bitzigeio. Aber weniger ginge nicht, wenn man bei den German Open bis ins Achtelfinale kommen wolle. „Die Weltklasse gibt den Arbeitsumfang vor“, sagt der Trainer. Nina Mittelham wirkt alles andere als überfordert und alles andere als fremdgesteuert. „Es ist so cool, vor so einem großen Publikum zu spielen. Ich will auf jeden Fall nach Olympia.“ Die Begeisterung sprüht aus ihren Augen. Bitzigeio sagt, wichtig sei es, dass Nina Mittelham die neuen deutschen Spielerinnen aus China nicht als Konkurrenz sehe, die ihr den Platz wegnähmen, sondern als Chance. „Ha und Shan machen auch Nina besser, wenn sie mit ihr trainierten. Und sie weiß, wenn sie die beiden schlägt, ist sie in Europa schon Spitze.“