Tennis als Spaß : Der französische Artist
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Französischer Schönspieler: Seine Bühne ist der Tennis-Platz Bild: AFP
Gaël Monfils ist nicht nur der spektakulärste Tennisspieler der Gegenwart, er ist auch einer der besten. Das ist erstaunlich, denn der Franzose hat nicht einmal einen Trainer.
Auf seinem leuchtend grünen T-Shirt stand in großen Buchstaben: „Matchpoint State of Mind“. Das war einem der bekanntesten und schönsten Lieder von Billy Joel nachempfunden - „New York State of Mind“ - und lässt sich vielleicht am besten so übersetzen: New York im Kopf und in der Seele. Sich für eine Variation dieser Zeile zu entscheiden war eine hübsche Idee seines Ausrüsters. Aber ob Gaël Monfils und die Botschaft tatsächlich zueinander passen, kann man bezweifeln; dieser Mann lässt sich nicht auf Matchbälle reduzieren.
Es gibt wohl aktuell kaum einen Spieler, dessen Ballwechsel so oft in den Foren des Internets angeklickt werden wie den Franzosen, kaum einen, vom dem es ähnlich spektakuläre Fotos gibt. Eines der besten, das es je gab, entstand in diesem Jahr bei den French Open in Paris, wo er nach einem Ball hechtete und dabei gerade wie eine Bahnschranke fast zwei Meter hoch in der Luft hing. Atemraubend, ausgestreckt von den Füßen bis zum Schläger.
Auch in der ersten Woche der US Open in New York gab es eine Szene, die immer wieder eingespielt wurde, eine eingesprungene Vorhand mit explosiver Flugphase und gekreuzten Beinen. Müsste einer, der Kunststücke beherrscht wie kein anderer, der ein unglaublicher Athlet ist, flexibel, locker auf den Beinen, als gehöre er zu den Harlem Globetrotters, müsste also so einer nicht viel öfter gewinnen? Theoretisch, ja.
Vor drei Jahren gehörte Monfils ein paar Monate lang zu den besten zehn der Tenniswelt, nach einer langwierigen Knieverletzung rutschte er aus den ersten Hundert heraus, im Moment steht er wieder auf Platz 24. Seit anderthalb Jahren hat er keinen Coach mehr. „Ich weiß, dass es besser wäre, einen zu haben“, sagt er, „aber das ist ja nicht so einfach. Er muss streng zu mir sein, aber auch meine Persönlichkeit verstehen, ich bin nicht ganz einfach. Es gibt nicht viele gute Leute.“ Wie sich das aus der Sicht seiner Freunde darstellt, macht Landsmann und Kollege Gilles Simon deutlich, der davon überzeugt ist, wäre er selbst dieser Coach, könnte Monfils einen Grand-Slam-Titel gewinnen.
„Wenn ich nicht glücklich bin, geht nichts“
Aber Begabung und besondere Fähigkeiten allein reichen nicht; man muss auch alles dafür tun, sie umzusetzen. Und da scheitert er immer wieder, wenn sein Innenleben nicht zur Außenwelt passt. „Ich betrachte Tennis nicht als Job. Es ist Sport. Ich bin ein entspannter Typ, und ich versuche alles. Aber wenn ich nicht glücklich bin, dann geht gar nichts.“
Das erklärt eine Menge; das Hochgefühl, in der Luft schwebend einen völlig unmöglichen Ball zu spielen, aber auch die Niederlagen, wenn er sich einsam fühlt oder weil nichts und niemand in der Nähe ist, um ihn zu inspirieren. Aber was das betrifft, da geht es ihm in New York ziemlich gut. Sein Vater und ein früherer Physiotherapeut hatten ihn vor Jahren in die Bronx zu Freunden der Familie mitgenommen, und dabei hatte er erstaunt festgestellt, wie sehr sich die schwarze Gemeinde auch fern der Heimat für ihn interessiert.
Im Viertelfinale gegen Federer
An diesem Donnerstag tritt Gaël Monfils im Viertelfinale gegen Roger Federer an, gegen den Mann, über den er sagt, das sei der größte Spieler, den es je gegeben habe. „Ich kann meinen Kindern später noch erzählen, dass ich gegen ihn gespielt habe.“ Von bisher neun Partien aber hat Federer sieben gewonnen, zuletzt vor ein paar Wochen in Cincinnati; der Schweizer braucht die Erinnerung an den Sieg dort in drei engen Sätzen dennoch nicht, um zu wissen, dass die Sache gefährlich werden kann.
Nicht, weil Monfils so unglaublich gut in Form ist, obwohl der beim Sieg gegen Grigor Dimitrov im Achtelfinale einen vergleichsweise soliden Eindruck machte. Viel mehr deshalb, weil sich der französische Artist in seinem Sport kaum was Schöneres vorstellen kann, als unter den Lichtern der Nacht in einem vollen Stadion gegen einen wie Federer zu spielen. Falls ihm seine Leute wieder ein T-Shirt mit einer Botschaft geben wollen, sollten sie es mit einem anderen Titel von Billy Joel versuchen - „The Entertainer“. Der passt wie auf den Leib geschrieben.