Staatliche Sportförderung : Viel Lärm um Nichts am „Fürstenhof“?
- -Aktualisiert am
Wer entscheidet wirklich über die staatliche Sportförderung in Deutschland? Der Wissenschaftler Eike Emrich sieht vor allem die Rolle des Deutschen Olympischen Sportbundes kritisch. Dessen Leistungssportbereich sitzt zwischen den Stühlen.
In der nüchternen Sprache des Sportökonomen nennt Eike Emrich die Vergabe von Sportfördermitteln durch das Bundesinnenministerium (BMI) „in hohem Maße unterformalisiert und intransparent“. Doch er übersetzt auch gerne. „Das Ganze erinnert mich an die Fürstenhöfe des Mittelalters. Nur dass wir eigentlich längst in einer Demokratie leben.“
In einem Lehrbuch, das in Kürze erscheint, wirft Emrich dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vor, seinen Geschäftsbereich Leistungssport dazu zu nutzen, die Verbände gegeneinander auszuspielen. Dabei solle er bei der Vergabe von Fördermitteln als verlängerter Arm der Fachverbände beim BMI dienen – etwa des Deutschen Turnerbundes oder des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Grundlagen für einen Teil der Förderentscheidungen würden unklar gelassen, um Spielräume für Machtpolitik zu schaffen sowie um Kritik und Opposition abzustrafen.
Stein des Anstoßes sind dabei – nicht zum ersten Mal – die „Zielvereinbarungen“ zwischen DOSB und den einzelnen olympischen Spitzenverbänden. Ihr Inhalt wird geheim gehalten. Das stört nicht nur Emrich, sondern auch Sportpolitiker wie Martin Gerster von der SPD. Sportfunktionäre aber malen das Ende erfolgreicher Sportförderung an die Wand, sollten die Zielvereinbarungen öffentlich werden. „Mein Wunsch nach Transparenz hält sich da in engen Grenzen“, sagt Wolfgang Willam, Sportdirektor des Deutschen Turner-Bundes (DTB). „Wir hatten ein paar Jahre kaum messbare Erfolge und sind dankbar, dass DOSB und BMI uns da nicht fallen gelassen haben.“
„Da war der Vorschlag sofort tot“
Genau solche Solidarität hält Emrich für unzulässig im Umgang mit Steuergeld. Sie steht besonders hart auf der Probe, wenn neue Sportarten auf der Bildfläche erscheinen. Welcher etablierte Verband gibt schon gern Geld ab, wenn Rugby oder Golf olympisch werden? Der Snowboardverband Deutschland musste auf Mittel aus dem Konjunkturpaket zurückgreifen, um dem Nachwuchs eine Halfpipe bauen zu können – und stellte fest, das Innenministerium sei „sehr großzügig“ gewesen. Der deutsche Sport muss sich fragen, ob er sich die Zukunft verbaut. Denn es bleibt kaum Spielraum für die neuen olympischen Sportarten wie 7er-Rugby und Golf.
Bevor 2006 der Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee zum DOSB verschmolzen, sollte die Mittelvergabe reformiert werden. Das Konzept sah vor, dass die Zahl olympischer Wettbewerbe, die Zahl der Olympiateilnehmer und besonders die Zahl der bei Olympischen Spielen gewonnenen Medaillen die Sockelförderung eines jeden Verbandes bestimmen. Emrich, seinerzeit Vizepräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), erinnert sich, dass nach diesen Kriterien den großen Verbänden, den Turnern, Leichtathleten und Schwimmern, eine spürbare Aufstockung der Mittel zugestanden hätte. „Als wir die konkreten Zahlen auf den Tisch legten, was das für welchen Verband bedeutet“, erinnert sich Emrich, „war der Vorschlag sofort tot.“
Viele, die mit am Tisch saßen, erinnern sich vor allem an die Vertreter der Fechter, die befürchteten, schlecht wegzukommen. Sie fanden Verbündete für die Entscheidung, dass kein Verband schlechter gestellt und der Zuwachs für erfolgreichere Verbände gedeckelt wurde. Mit Projektförderung beschwichtigt der DOSB unzufriedene Verbände; sie wird in Zielvereinbarungen festgeschrieben. „Mir ist ein Dorn im Auge, dass nicht einmal uns Parlamentariern die Zielvereinbarungen zugänglich gemacht werden“, klagt der Bundestagsabgeordnete Gerster. „So lange die Kriterien nicht komplett öffentlich sind, gibt es keine Kontrolle darüber, warum Steuermittel so und nicht anders verteilt werden.“