Rettung bei Vendée Globe : „Wir haben dem Glück eine Chance gegeben und Kevin gefunden“
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Der Franzose Kevin Escoffier musste in der Nacht von einem Konkurrenten gerettet werden, weil seine Yacht gesunken ist. Bild: AFP
In einer dramatischen Nacht wird Vendée-Globe-Skipper Kevin Escoffier von einem Konkurrenten gerettet – und kämpft danach mit den Tränen. Auch Boris Herrmann war an der Aktion beteiligt. In einem Video schildert er, unter welchen Umständen die Suche ablief.
Nach der dramatischen Rettungsaktion bei der Segelregatta Vendée Globe ist auch Boris Herrmann nach einer schlaflosen Nacht ziemlich erschöpft. „Ich fahren schon wieder mein normales Rennen weiter, bin aber im Kopf noch wieder ganz dort wo ich sein sollte. Heute gebe ich mir noch ein bisschen Zeit, die Sache sacken zu lassen“, berichtet der 39 Jahre alte Hamburger am Dienstagmittag in einer Videobotschaft.
Zuvor war der französische Weltumsegler Kevin Escoffier von seinem Konkurrenten Jean Le Cam nach einer Havarie im Südpolarmeer geborgen an Bord der Yacht „Yes We Cam!“ aufgenommen worden. Escoffier musste seine Yacht „PRB“ am Montagnachmittag um 14.46 Uhr deutscher Zeit nach starkem Wassereinbruch aufgeben und war 840 Seemeilen südwestlich von Kapstadt in die Rettungsinsel umgestiegen. „Ich habe schon viel gesehen, aber das übertrifft alles. Innerhalb von vier Sekunden war das Boot voll und der Bug bereits unter Wasser. Dann kam von hinten eine Welle, das Wasser zerstörte die meiste Elektronik. Ich hatte Zeit, um eine kurze Nachricht abzusetzen, dann musste ich raus. Es war total verrückt“, schilderte Escoffier kurz nach seiner Rettung in einem ersten Video die dramatischen Minuten.
„Es tut mir leid, dass ich es versaut habe“
Le Cam war etwa zwei Stunden entfernt von Escoffiers Yacht Richtung Kap der Guten Hoffnung gesegelt und hatte den Kurs geändert, nachdem er von der Rennleitung angewiesen worden war, seinem Konkurrenten zu helfen. Nach erstem Sichtkontakt zwischen Le Cam und Escoffier war die Rettungsinsel in starken Winden und bis zu fünf Meter hohen Wellen bei einbrechender Dunkelheit zunächst aber außer Sicht geraten. Die Wassertemperatur betrug etwa zehn Grad. „Der Wind war sehr heftig und die See rauh. Ich habe ihn dann erst nicht wieder gefunden und hoffte auf das Tageslicht. Dann habe ich aber sein Lichtzeichen gesehen und wir haben es direkt im ersten Versuch geschafft. Das war ein unrealer Moment“, berichtet Le Cam.
Wie knapp Escoffier bei der Havarie seines Bootes einer kompletten Katastrophe entkam, wird in der Nachricht von Herrmann deutlich, der von der Rennleitung wie fünf weitere Teilnehmer mit seiner „Seaexplorer“-Yacht zur Unglücksstelle geleitet wurde, um nach dem Franzosen zu suchen: „Die Zone, die mir zugeteilt wurde, komplett zu durchkämmen, hätte mich 15 bis 20 Stunden gekostet. In solchen Momenten wird einem bewusst, welche Nadel im Heuhaufen wir suchen“, sagt ein sichtlich bewegter Herrmann. Er sei sehr motiviert gewesen, Ausschau zu halten, aber es sei extrem kalt gewesen in der Nacht. Hoher Seegang und Gischt, die über das Deck spritzt, hätten es unmöglich gemacht, über Stunden an Deck zu sein. „Umso toller ist es, zu sehen, dass wir dem Glück eine Chance gegeben und Kevin gefunden haben. Das ist für uns alle eine riesige Erleichterung.“
Auch der Gerettete war am Morgen danach in seinem ersten Interview schon wieder zu Scherzen aufgelegt – kämpfte dann aber auch kurz mit den Tränen, als er sich bei seinem Team für den Verlust seines Bootes entschuldigte: „Es tut mir leid, dass ich es versaut habe. Es tut mir auch leid für Jean, weil er bislang ein so tolles Rennen abgeliefert hat.“
Retter Jean Le Cam war vor knapp zwölf Jahren am 6. Januar 2009 selbst von seinem Landsmann und „PRB“-Skipper Vincent Riou vor Kap Hoorn von seiner auf dem Kopf treibenden Yacht gerettet worden. Dieses Mal war es der 61-jährige Rekordteilnehmer Le Cam, der einen „PRB“-Skipper aus einer lebensbedrohlichen Situation befreite. Bis zum SOS seines Konkurrenten hatte er auf dem dritten Platz gelegen.
Alle Segler, die sich an der Rettungsaktion beteiligten, dürfen das Rennen fortsetzen, ihre Zeit wird zurückgesetzt. Herrmann liegt auf Platz fünf, Le Cam auf Rang acht. Wie es genau bei Le Cam und Escoffier weitergeht, ist noch nicht bekannt. An Bord kann er wohl nicht ewig bleiben, die Nahrung ist nur für eine Person ausgelegt. Und die Reise bei der Vendée Globe, die nonstop und ohne Hilfe einmal um die Welt etwa 45.000 Kilometer führt, ist erst zu knapp einem Viertel absolviert.