Handball-Trainer Machulla : Der Vertrauensvorschuss ist weg
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Deutliche Geste (Kopf einschalten) von Maik Machulla: Die Kritik am Vereinsidol wird lauter. Bild: dpa
Harmoniebedürfnisse und Bequemlichkeit: Bei der SG Flensburg-Handewitt braucht Maik Machulla dringend Erfolgserlebnisse. Weiterentwickelt hat er das Team in dieser Saison nicht.
Im Oktober 2017 fragten sich die Verantwortlichen der SG Flensburg-Handewitt, ob Maik Machulla der richtige Trainer sei. Er war damals auf den schillernden Ljubomir Vranjes gefolgt, hatte zum Saisonstart Niederlagen kassiert und stand in der Kritik. Doch die SG hielt an ihm fest. Und erlebte in der Folge die besten Jahre der Vereinsgeschichte: 2018 und 2019 wurden die Flensburger mit Machulla auf der Bank deutscher Handballmeister.
In diesen Dezembertagen durchlebt der 45 Jahre alte Handball-Lehrer mit Vertrag bis Sommer 2026 nun seine zweite schwere Phase in Flensburg. Am Sonntag verlor die SG in letzter Sekunde 30:31 in Leipzig, zuvor kassierte sie ein peinliches 26:30 in der European League gegen Ystad. Mit zehn Minuspunkten hat sich Machullas Team aus dem Titel-Rennen verabschiedet, obwohl die bestens eingespielte Mannschaft unter Fachleuten als ein Favorit galt.
Nach Rang vier 2021/22 zeichnet sich damit eine weitere Spielzeit fernab der Champions-League-Plätze ab. Darum wird Machullas Arbeit argwöhnisch beäugt – von den Fans schon seit Längerem, von den Vorgesetzten aktuell noch verständnisvoll und wohlwollend. Was auch daran liegen dürfte, dass es mit dem Wechsel von Dierk Schmäschke zu Holger Glandorf in der Geschäftsstelle einen Umbruch und schon genug Unruhe gibt. Glandorf sucht sein Profil.
Zu großes Harmoniebedürfnis
Dabei ist Machulla in der komfortablen Situation, 16 weitgehend fitte Profis im Team zu haben – ungewöhnlicher Luxus für Handballverhältnisse. Anders als früher setzt er die meisten auch ein. Doch statt Qualität von allen Positionen zu bekommen, wird die Verantwortung nun dem Nebenmann zugeschoben. Der Trainer hat dafür zu sorgen, dass niemand zum Bankdrücker wird und sich für alle eine Verwendung findet – nicht für nur sieben Stars. Hier hat Machulla in der Vergangenheit manches versäumt, wie er selbst zugibt: „Ich bin ein Trainer, der nicht viel wechselt, da muss ich mich auch verbessern“, sagte er vor der Saison gegenüber „Flensborg Avis“. Dafür bekommt er gerade die Quittung.
Hinzu kommt ein unübliches Kommen und Gehen. Früher blieben die skandinavischen Stützen ewig, nun verlassen Simon Hald, Magnus Rød und Gøran Søgard die Gruppe im Sommer. Franz Semper und Anton Lindskog dürften ebenfalls gehen, Torwart Benjamin Buric und Anführer Jim Gottfridsson haben mit Wechseln geliebäugelt. Auch kulturell ist vieles im Umbruch, denn die wuchtigen Anführer von früher haben aufgehört und ihre Nachfolger wie Kapitän Johannes Golla sind ruhige Charaktere. Es ist eine brave, stille Mannschaft, die da in Blau und Rot aufläuft. Vieles bleibt an Machulla hängen. Insofern ist der Kader sportlich, aber nicht charakterlich gut zusammengestellt.
Keine Entwicklung
Fernab von Pfosten-Würfen, Form-Dellen, schwacher Abwehrarbeit oder fehlendem Selbstvertrauen stellt sich bei jedem Trainer im sechsten Jahr die Frage nach der Abnutzung. Die Mannschaft rücke nicht von ihm ab, sagt Machulla, der Umgang im Alltag sei gut: „Die Jungs folgen mir.“ Weiterentwickelt hat er sein Team in dieser Saison aber nicht.
Bequemlichkeit habe sich breitgemacht, hieß es aus der Mannschaft, Selbstkritik wurde laut. Ist bei allen ausreichend Erfolgshunger vorhanden? „Wir können nicht vor der Saison sagen, wir wollen Meister werden, und dann solche Spiele wie in Ystad abliefern“, sagt Gottfridsson. Wie Torwart Kevin Møller stellt er sich vor den Trainer. Im Hintergrund wird Beiratsvorsitzender Boy Meesenburg hinschauen, was die SG in den Prestige-Spielen gegen Kiel und im Pokal gegen den HSV am 18. und 22. Dezember abliefert. Machulla setzt auf Eigenverantwortung seiner Profis. Druck und Bestrafung sind nicht seine Instrumente. Aber der Vertrauensvorschuss sei nun aufgebraucht, sagte er – und es klang wie Selbstschutz.