Reitsport : Steilsprung auf eine neue Kommerz-Stufe
- -Aktualisiert am
Auch das Derby in Hamburg profitiert von der Global Champions League Bild: dpa
Die Global Champions League und der Weltverband der Reiter führen einen erbitterten Rechtsstreit – es geht um nicht weniger als die Zukunft des professionellen Reitsports.
Wenn Pferde herbeitraben, klappern die Hufe. Eine der größten Umwälzungen des Reitsports aber nähert sich auf leisen Sohlen: Sollte der Weltverband (FEI) in der Auseinandersetzung mit dem Niederländer Jan Tops vor der belgischen Wettbewerbsbehörde unterliegen, droht er die Hoheit über seinen Sport zu verlieren. Zwei erbittert kämpfende Parteien stehen sich gegenüber: Der geschäftstüchtige Pferdehändler und Turnier-Manager Tops. Und die FEI, angeführt von ihrem Präsidenten Ingmar de Vos. Tops möchte den Weltverband zwingen, einen Wettbewerb zu genehmigen, der einige Ähnlichkeit mit dem Profi-Radsport oder gar der Formel 1 hat. Der Weltverband verweigert Tops das Approval, weil er eine allzu kommerziell orientierte Abspaltung befürchtet. Und um eigene, selbst vermarktete Formate zu schützen.
Schon vor zehn Jahren hat Tops mit der Spring-Serie Global Champions Tour eine lukrative Geldmaschine angeworfen. Auch damals gab es Auseinandersetzungen mit der FEI, die aber beigelegt wurden. Inzwischen ist deutlich geworden, dass die Millionen-Serie an spektakulären Schauplätzen nicht nur den Top-Springreitern immense Verdienstmöglichkeiten bietet. Gleichzeitig ermöglicht sie einem traditionellen Springen wie dem Deutschen Derby in Hamburg-Klein Flottbek eine stabile Zukunft. So findet an diesem Samstag auf dem berühmten Derby-Platz die vierte von 15 Etappen der Tour mit Star-Besetzung statt. Am Sonntag ergötzen sich Nostalgiker wieder einmal an den Szenen auf dem Großen Wall und an Pulvermanns Grab. Doch die Ko-Existenz ist in Gefahr. Mit seinem neuen Mannschafts-Wettbewerb, der Global Champions League, zündet Tops eine neue Stufe seiner Verselbständigungs-Strategie. Die FEI kämpft.
Gebildet von Franchise-Nehmern
Obwohl der Rechtsstreit noch lange nicht beendet ist, fand am Freitagabend in Hamburg bereits die fünfte Etappe der Global Champions League statt. Es geht um ein Saison-Preisgeld von 7,5 Millionen Euro, das irgendwann von den zwölf Mannschaften selbst vorfinanziert werden könnte. Sie werden gebildet von Franchise-Nehmern, die jeweils fünf Reiter verpflichten, darunter auch einen Nachwuchs-Sportler unter 25 Jahren. Auf jeder der 15 Etappen, die den Einzelspringen der etablierten Global Champions Tour angeschlossen sind, bringt das Team eine Zweier-Mannschaft an den Start. Von den deutschen Top-Reitern sind bislang nur zwei dabei: Janne Friederike Meyer aus Hamburg, die für die „Schanghai Swans“ reitet, und Marco Kutscher aus Bad Essen für die „Cannes Stars“ – die Teams wurden nach den Etappenorten benannt. Irgendwann könnten die Mannschaften wie professionelle Rad-Rennställe wie ihre Geldgeber heißen. Und es könnte sogar ein Transfer-Markt für Top-Reiter entstehen wie beim Fußball.
Selbstverständlich hat Tops, wie bereits in der Einzel-Serie, die reichen und ehrgeizigen Reiter nicht vergessen, die nicht zu den besten 30 der Weltrangliste gehören: Sie zahlten bisher schon für den Einzel-Start bei der Global Champions Tour, nun können sie auch einen Platz in einem Team kaufen. Das Angebot an zahlungskräftige Kunden, die eventuell auch noch ein Millionenpferd aus dem Hause Tops erwerben, wird noch umfangreicher. Janne Meyer gehört so zu den größten Profiteuren: Da sie keinen Platz unter den Top 30 innehat, hätte sie bisher für einen Start bei den hochdotierten Einzelspringen der Tour zahlen müssen – mit Ausnahme von Hamburg, wo Bundestrainer Otto Becker ihr wiederholt einen der fünf nationalen Startplätze zuteilte. An diesem Samstag ist sie als Mitglied der „Schanghai Swans“ dabei.
Die FEI ist entschlossen, den Streit durch alle Instanzen auszufechten. Nach dem jüngsten Urteil eines belgischen Berufungsgerichts vom 28. April ist allerdings die Regel 113 Paragraph 4 des FEI-Reglements nicht statthaft. Danach wird ein Reiter für offizielle FEI-Veranstaltungen gesperrt, sollte er innerhalb der zurückliegenden sechs Monate an einem nicht von der FEI genehmigten Wettkampf teilgenommen haben. Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, hätte nicht nur die FEI ein Problem.
Präsident de Vos hat sich bereits mit dem Internationalen Olympischen Komitee und anderen olympischen Sommersportverbänden kurzgeschlossen und lässt wissen: „Wir sind uns alle einig, dass wir diese Art von Regel brauchen, damit wir unseren Sport effektiv führen, seine Integrität bewahren, unsere Athleten schützen, sauberen Sport und Chancengleichheit garantieren können.“ Diese Regel sei „fundamental für den Sport“. Allerdings vergaß er dabei zu erwähnen, dass auch die FEI nicht nur über die Werte des Sports wacht, sondern ihre Wettkämpfe wie Weltmeisterschaften, Weltcup oder die Nationenpreis-Serie auch aktiv vermarktet. Das Berufungsgericht warnte denn auch vor einem Interessenkonflikt.
Tops jedenfalls macht mit behördlicher Genehmigung erst einmal weiter. „Dies ist ein entscheidender strategischer Schritt, was die Entwicklung unseres Sports angeht“, ließ er verlauten. Seine Unternehmung sichere die Zukunft des Springsports. Die teilnehmenden Reiter haben sich die Gewinnchancen angesehen und nutzen sie. „Es ist lächerlich, sich über dieses Springen so aufzuregen“, sagt Janne Meyer zur Haltung der FEI. Allerdings ist es auch gefährlich für die FEI, es nicht zu tun.