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Radprofi Jonas Rutsch : „Unfassbar, dieser dicke Deutsche“

  • -Aktualisiert am

Fährt fürs amerikanische Team Education First: Allrounder Jonas Rutsch Bild: WITTERS

Von den großen Rundfahrern anerkannt und von der Presse als „Big German“ getauft, ist Jonas Rutsch im Schnelldurchgang bei den Profis im Radsport angekommen. Gelingt dem jungen Deutschen bei den Klassikern sogar ein Coup?

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          Beim Kaffee holen habe er den Stups eines „kleinen Händchens“ auf seinem Rücken gespürt, erzählt Jonas Rutsch. Ein kleiner Stups, der sich für ihn anfühlte wie ein Ritterschlag. Denn wer den Odenwälder da mit einem Stups zu seinen Auftritten im Sattel beglückwünschte, war niemand Geringeres als Richie Porte, seines Zeichens einer der besten Rundfahrer der Radsportwelt.

          Jonas Rutsch hat zu Jahresbeginn im australischen Sommer seine ersten 1786 Rennkilometer bewältigt in der World Tour, des Radsports erster Liga. Und hat als Neuling auf diesem Niveau im Team EF mit starken Auftritten direkt auf sich aufmerksam gemacht. Richie Porte jedenfalls, der australische Rad-Star, sagte zu Rutsch: „Krass, wie du mit deinem Gewicht die Berge hochfährst.“ Der Erbacher ist mit seinen 1,97 Metern Körpergröße eine Ausnahmeerscheinung auf dem Rad – und muss mit seinen 82 Kilogramm knapp zwanzig Kilo mehr die Passstraßen hinaufwuchten als Kletterer wie Porte, den er um 25 Zentimeter überragt.

          Bei der Tour Down Under, dem Cadel Evans Great Ocean Road Race und der Sun Tour, die er auf Gesamtrang 14 beendete, erhielt er seine ersten Renneinsätze. Wobei er mit seinen Kletterfähigkeiten viele in der Szene überraschte, manche beeindruckte und „einige andere Fahrer mental ausknockte“, wie Rutsch schmunzelnd sagt. „Die konnten es gar nicht fassen, dass dieser dicke Deutsche immer noch dabei ist. Das war ein Unding für die, was sie sich nicht erklären konnten.“ In der australischen Presse war Rutsch, der eigentlich gekommen war, um zu lernen und seine ersten Fahrversuche im Kreise der Besten zu unternehmen, als „Big German“, der große Deutsche also, schon sofort präsent. Sein hiesiger Spitzname „die Bergziege“ hätte freilich Hinweise auf die Fähigkeiten des gerade mal 22-Jährigen geben können. 2018 gewann er die deutsche Bergmeisterschaft der U-23-Junioren. Dass er zudem mutig ist, bewies Rutsch bei der Sun Tour, wo er bei einer Abfahrt einmal mit 101 Kilometern pro Stunde auf dem Tacho gemessen wurde.

          Im Schnelldurchgang angekommen

          Zwar wird Rutsch mit seinen Körpermaßen in den Bergen wohl trotzdem nie für Siege in Frage kommen, aber das ist auch nicht sein Ziel. Die anstehende europäische Klassikersaison, in der es auf hügeligem Terrain auf Tempohärte und ordentlich Druck auf der Pedale ankommt, sind eher sein Terrain. „Dafür fühle ich mich nun perfekt vorbereitet“, sagt er nach bestandener Feuertaufe in Australien. Sein kommendes Rennprogramm im Frühjahr liest sich so, als ob er im Schnelldurchgang angekommen ist im Team EF. Unter anderem Omloop Het Nieuwsblad, Kuurne-Brüssel-Kuurne, Gent-Wevelgem (der Gewinn der U-23-Ausgabe 2019 öffnete Rutsch die Tür in die World Tour) und sogar Paris-Roubaix soll er fahren. „Dass mein Team gleich im ersten Jahr für Roubaix mit mir plant, ist toll. Da gilt es für mich, die ersten Lorbeeren dann auch zu bestätigen“, so Rutsch, den eine große Leidensbereitschaft und Leidensfähigkeit auf dem Rad auszeichnet. Drei Mal hatte ihn die Teamführung während seines australischen Abenteuers angewiesen, sich in die Ausreißergruppe des Tages zu kämpfen. Drei Mal konnte er den Auftrag erfüllen, ihn einmal sogar mit besonderer Angriffslust würzen. Auf der sechsten Etappe der Tour Down Under machte der Hesse sich in der Radsportwelt bekannt, als er wenige Kilometer vor dem Ziel plötzlich allein vorne unterwegs war. Doch dann „ist mein Kessel geplatzt“, erzählt Rutsch. Was ihm die Erkenntnis einbrachte, im Training verstärkt daran zu arbeiten „länger im roten Bereich fahren zu können. Also wenn es schon weh tut, noch Mal richtig tief gehen zu können.“

          Rutsch hat innerhalb weniger Monate eine neue Welt betreten. Aus dem U-23-Lager verabschiedete er sich im Vorjahr mit dem Gewinn der öffentlich kaum wahrgenommenen Bundesligawertung. Einen mit hartem Training gespickten Winter später tut er sich nun bereits als wichtige Kraft in seiner amerikanischen Equipe hervor. In seinen heimischen Trainingsrevieren im Odenwald oder im Rheingau vor den Toren Wiesbadens, wo er als Mitglied der Sportfördergruppe der hessischen Polizei wohnt, ward er indes länger nicht gesehen. Seit Anfang Dezember war er zwischen Trainingslagern und den Renneinsätzen nur wenige Tage daheim. Und aktuell schon wieder im nächsten Camp zur Vorbereitung der Klassiker in der spanischen Stadt Girona.

          Dass es bei den Profis „schneller, enger und härter umkämpft zugeht“, habe er schnell registriert. „Alles macht einen Unterschied, jedes Detail. Die Spielräume sind kleiner, weil alles ausgeklügelt ist. Jedes Prozent entscheidet, weil alle stark sind. Ich habe im Gegensatz zu früher sofort gemerkt, wenn ich mal nicht so gut geschlafen habe oder in Sachen Ernährung nicht alles perfekt war.“ Auf den flachen Etappen mit Sprintentscheidung wurde der 22-Jährige als Anfahrer im Sprint-Zug seines Teams eingesetzt. Um mit drei Teamkollegen am Hinterrad durch das hektisch um Positionen kämpfende Peloton zu navigieren, braucht es Rennverständnis und Physis. „Da muss man schon mal die Ellbogen ausfahren“, sagt Rutsch, der aber über eine besondere Spannweite verfügt. „Mich schiebt so leicht keiner weg“, meint er augenzwinkernd.

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