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Boris Herrmann beim Ocean Race : Auf der Schnellspur nach Gibraltar

„Don’t stop me now“: Team „Malizia“ nimmt Fahrt auf. Bild: Antoine Auriol | Team Malizia

Eines der härtesten Segelrennen nimmt Fahrt auf: Die Teilnehmer des Ocean Race sausen auf der ersten Etappe von Alicante nach Kapverden. Der deutsche Skipper Boris Herrmann greift früh in die Trickkiste.

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          Der „Highway“ nach Gibraltar bietet gleich mehrere Überholspuren. Wer im Mittelmeer den schnellsten Weg nach Süden finde, gewinne auch die erste Etappe, ist sich Rosalin Kuiper vom Team „Malizia“ noch kurz vor dem Start des Ocean Race sicher gewesen. Die Auffahrt auf ebenjenen „Highway“ nimmt die 27 Jahre alte Hochseeseglerin aus den Niederlanden noch winkend an Deck stehend und zu den Klängen des Klassikers „Don’t stop me now“ der Rockgruppe Queen. Bei strahlendem Sonnenschein heraus aus dem Hafen von Alicante und vorbei an etwa 50.000 den Strand und die Promenade säumenden Zuschauern.

          Sebastian Reuter
          Leitender Redakteur vom Dienst.

          Doch die Party ist schnell beendet – für Kuiper, ihre Crew und die vier übrigen Teams auf ihren 18 Meter langen Hightech-Yachten. Kurz hinter der Bucht von Alicante fliegen die Boote der Imoca-Klasse auf ihren tragflächenähnlichen Foils über das Wasser. Jede Welle, die die Yacht trifft, rüttelt die Crew durch. Die Blicke auf Tracker, Wetterdaten und Autopilot führen dazu, dass über Taktik und Kurs regelmäßig neu beraten wird. Windgeschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometern in der Stunde lassen in der ersten Nacht auf hoher See nur die ganz Abgehärteten in den Schlaf finden. Die Teilnehmer lernen schnell, was es heißt, bei einem der härtesten Segelrennen der Welt dabei zu sein.

          Verrücktheit im Team

          An diesem Dienstag passieren die Yachten die Straße von Gibraltar und fahren in den Atlantik ein. Bis zum ersten Etappenziel auf den Kapverden sind es weniger als 2000 Seemeilen – ein Bruchteil der insgesamt 32.000 Seemeilen (fast 60.000 Kilometer) langen Regatta um die Welt. Der kurze „Boxenstopp“ auf der Inselgruppe im Atlantik muss ohne große Reparaturen oder das Auffüllen von Proviant vollzogen werden, schon kommenden Mittwoch geht es weiter in Richtung Kapstadt.

          Bedeutungsschwerer Blick auf hoher See: Skipper Boris Herrmann
          Bedeutungsschwerer Blick auf hoher See: Skipper Boris Herrmann : Bild: Antoine Auriol | Team Malizia

          „Malizia“-Skipper Boris Herrmann greift indes schon zum Regattastart in die psychologische Trickkiste: Für die prognostizierte 22 Tage lange Fahrt bis nach Kapstadt hat seine Crew angeblich Nahrung für nur 18 Tage eingepackt. Um Gewicht zu sparen und das Boot einige Knoten schneller zu machen? „Ich habe letzte Woche gesagt, dass es in den anderen Teams einige Positiv-Verrückte gibt, die nur das absolute Vollgas kennen. Offenbar haben wir diese Art von Verrücktheit auch bei uns im Team“, sagt der Hamburger vor dem Start.

          Herrmann hat für Ma­lizia den Gesamtsieg als Ziel ausgerufen, er hat unter anderem für das Ocean Race eine neue Yacht bauen lassen, deren Rumpf deutlich runder ist als bei den Booten der Konkurrenz. Zum Start in den zweiten Tag der Regatta liegt „Malizia“ in Führung – wählt dann aber einen südlicheren Kurs als die Konkurrenz und fällt vorerst auf den dritten Platz zurück.

          Tipps von Astronautin

          Die Rolle der Topfavoriten füllen beim Ocean Race mit Charlie Enright und Kevin Escoffier sowieso andere aus. Der Amerikaner Enright nimmt bereits zum dritten Mal am Ocean Race teil. Mit seinem schon früh zusammengestellten „Vestas 11th Hour Racing Team“ hatte er sich die meiste Zeit intensiv auf die Regatta vorzubereiten. Dazu wurde die „Vestas“-Yacht als einziges teilnehmendes Boot ausschließlich für den Team-Einsatz beim Ocean Race konzipiert und gebaut.

          Sie besticht deswegen durch einige technische und architektonische Besonderheiten, die Experten zufolge am Ende den Ausschlag geben könnten. Außerdem ließ sich der 38 Jahre alte Enright mit Nicole Stott von einer ehemaligen Astronautin beraten. Beide sprachen über die vergleichbaren psychischen und physischen Belastungen eines Einsatzes im All und des kräftezehrenden Wettkampfs auf den Weltmeeren.

          Dramatischste Erfahrungen

          Der das unter Schweizer Flagge segelnde „Holcim“-Team anführende Franzose Escoffier hat das Ocean Race gemeinsam mit dem chinesischen „Dongfeng“-Team 2018 bereits gewonnen. Der 42 Jahre alte Familienvater zählt zu jenen Seglern, die auf hoher See schon dramatischste Erfahrungen gemacht haben: Bei der vergangenen Vendée Globe – einer Solo-Regatta, die nonstop um die Welt gesegelt wird – brach Escoffiers Yacht südlich von Afrika bei schwerem Seegang in der Mitte auseinander, als sie mit hoher Geschwindigkeit im falschen Winkel auf eine Welle prallte.

          Innerhalb kürzester Zeit musste Escoffier ein Notsignal absenden, seinen Überlebensanzug anziehen und in die Rettungsinsel steigen. Nach drei Minuten war sein Boot gesunken. Escoffier trieb stundenlang hilflos auf offener See, bis er von Jean Le Cam gefunden wurde.

          Die Bilder des gerade Geretteten, der völlig entkräftet auf der Yacht des von der Suche ebenfalls komplett ausgelaugten Konkurrenten ein Lebenszeichen an seine Familie sendet, gingen um die Welt. Eine Erinnerung, auf die der in Alicante entspannt an seiner E-Zigarette ziehende Escoffier am liebsten nicht mehr angesprochen wird. Keine 24 Stunden später passiert seine Crew als erste den Golf von Almería.

          „Kevin ist ein Charakter, der so ein dramatisches Ereignis einfach abhakt. Er handelt unfassbar vorausschauend und denkt nicht groß über vergangene Dinge nach“, sagt Susann Beucke über Escoffier. Die Kielerin wird voraussichtlich von der zweiten Etappe an die „Holcim“-Crew verstärken und bei ihrer ersten größeren Hochseeregatta die schwierigen Aufgaben bis nach Kapstadt und durch den Südlichen Ozean meistern. Auf ihren Skipper lässt sie dabei nichts kommen. „Mit Kevin auf dem Boot fühle ich mich noch sicherer. Einfach, weil er diese Notlage gemeistert und überlebt hat – was fast unmöglich war. Ihm würde ich in einer ähnlichen Situation blind vertrauen.“

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