Kieler Woche : Flaute im olympischen Segelrevier
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Nichts los auf der Ostsee: Kiel hat an Segel-Bedeutung eingebüßt Bild: dpa
Teil der Hamburger Bewerbung für 2024, aber ohne Weltcup-Status: Die Kieler Woche leidet vor allem in den olympischen Klassen unter massivem Teilnehmerschwund. Doch wie könnte die Rückkehr aus dem Abseits gelingen?
Die Teilnehmerzahlen in den olympischen Klassen der Kieler Woche sind drastisch gesunken. Nur 269 Boote kämpfen in acht olympischen und einer paralympischen Disziplin um Titel und Preisgelder – neuer Tiefstand bei der größten Regatta der Welt. Die Mehrheit der internationalen Stars segelt in diesem Jahr an Kiel vorbei, obwohl das Olympiarevier über Jahrzehnte ein beliebter Tummelplatz prominenter Segler war: „Mr. America‘s Cup“ Dennis Conner ist hier schon gestartet, genau wie der mit vier Goldmedaillen erfolgreichste Olympiasieger der Sportgeschichte, Sir Ben Ainslie, oder auch Deutschlands Nummer eins Jochen Schümann.
Vor drei Jahren jedoch ging der Weltcup-Status verloren, dazu wurden viele kontinentale und Welttitelkämpfe in den olympischen Klassen zu dicht um die Kieler Woche herum plaziert – die einstige Hochglanz-Veranstaltung befindet sich deshalb nur noch an der Seitenlinie des olympischen Segelsports.
Partner mit ungebrochener Strahlkraft
Der quantitative und qualitative Abwärtstrend bei den Teilnehmerzahlen kommt zu einer besonders unglücklichen Zeit, denn die Stadt Kiel und mit ihr die Kieler-Woche-Organisatoren wollen den Hamburger Olympiabewerbern für 2024 ein starker Partner mit ungebrochener Strahlkraft sein. Und der Deutsche Segler-Verband (DSV) hat am Mittwoch mitgeteilt, dass er im Hinblick auf das Projekt 2024 seinen Bundesstützpunkt in Kiel aufwerten wolle.
Mittelfristig sollen die Bereiche Wettsegeln, Technik und Jugend nach Kiel umziehen. „Wir wollen als Dachverband alles in unserer Macht Stehende tun, um die deutsche Olympia-Bewerbung zu unterstützen“, sagte DSV-Präsident Andreas Lochbrunner. Um auf die Bedeutung Kiels für die deutsche Olympia-Bewerbung hinzuweisen, hat auch Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der Kieler Woche am Mittwoch einen Besuch abgestattet.
Bei keiner anderen Regatta der Welt ist das sportliche Programm so vielseitig. Bei keiner anderen das landseitige Angebot an die Segler so umfangreich wie bei der Kieler Woche. Keine andere große Serie setzt den Segelsport medial so publikumswirksam in Szene. In den Olympiahafen strömten am vergangenen Wochenende zum Kieler-Woche-Auftakt zehntausende Besucher – so viele wie nie zuvor.
Um diese vielen Ideal-Bedingungen wird die Kieler Woche international beneidet. Chris Atkins, Vizepräsident des Segler-Weltverbandes (Isaf), sagte bei seinem eintägigen Besuch: „Die Kieler Woche ist Aufsehen erregend, bringt den Segelsport dem Publikum ganz nah. Von ihr können viele andere Regattaveranstalter lernen.“
Trotzdem sieht der einflussreiche Verbandsvertreter und Vertraute des neuen italienischen Isaf-Präsidenten Carlo Croce kaum eine Chance für ein deutsches Weltcup-Comeback unter Kieler-Woche-Dach. „Die Kieler Woche ist viel größer als der Weltcup. Ich denke nicht, dass sie zur Isaf-Veranstaltung werden kann.“
Mit anderen Worten: die Kieler Woche würde einen in sie integrierten Weltcup in den Schatten stellen. Atkins fürchtet, der neu formierte Isaf-Weltcup mit nur zwei europäischen Stationen in Hyères/Frankreich und im britischen Olympiarevier von Weymouth könnte bei einem Wechsel nach Kiel zu viel von der eigenen Identität an die Weltmarke Kieler Woche verlieren, die der frühere Isaf-Präsident einmal als „Mutter und Vater aller Regatten“ bezeichnet hat. Kiel könne sich laut Akins natürlich um den Weltcup-Status bewerben, müsse in dem Fall aber zwei getrennte Veranstaltungen in Kauf nehmen: die Kieler Woche einerseits, den Weltcup andererseits.
Demnach sitzen die Veranstalter der mit 133 Jahren Segelsportgeschichte ältesten aller großen europäischen Regattawochen bei ihren Bemühungen in der Falle. Sie müssten sich entscheiden: Wollen sie den Weltcup-Status für 2019 nach Auslaufen der Verträge mit den jetzigen europäischen Weltcup-Veranstaltern zurückerobern und wieder die großen Namen nach Kiel locken?